Eine Zugfahrt, viele Dialoge und ein Protagonist, der mehr von sich preisgibt, als ihm lieb ist
Der Schriftsteller Eduard Brünhofer fährt im Zug von Wien nach München, um einen Termin wahrzunehmen. In seinem Zugabteil sitzt bereits eine Frau mittleren Alters. Brünhofer taxiert sie, macht sich seine Gedanken und hofft, dass die Frau bald aussteigt. Er will seine Ruhe haben und nachdenken. Auf keinen Fall will er sich mit ihr unterhalten, was sich alles andere als einfach erweist. Obwohl er nichts Persönliches von ihr wissen will, erzählt sie ihm, dass sie als Physiotherapeutin und Psychotherapeutin arbeitet. Natürlich möchte sie von ihrem Mitreisenden dann auch Näheres erfahren.
Leicht widerwillig lässt Brünhofer die Unbekannte wissen, dass er Schriftsteller von Liebesromanen ist. Die Frau facht das Gespräch zwischen ihnen immer wieder aufs Neue an, ihr Austausch wird zunehmend intensiver. Brünhofer redet eigentlich nicht gerne; schon gar nicht über sein Privatleben oder seine Liebesromane. Trotzdem gelingt es ihm nicht, die Unterhaltung abzublocken. Nach und nach erfährt die Frau, die sich als Catrin Meyr vorstellt, alles, was sie von unserem Protagonisten interessiert. Natürlich offenbart sie im Gegenzug auch ihr Privatleben. Bald schon wechselt man zum vertraulichen Du. Die beiden Zugreisenden ordern zusammen Getränke, laden sich gegenseitig ein und essen zusammen im Speisewagen.
Obwohl Brünhofer entgegen seiner Gewohnheit weit mehr von sich und seinem Privatleben preisgibt als sonst, fühlt sich dabei richtig gut. Auf die immer indiskreter werdenden Fragen von Catrin Meyr versucht Brünhofer anfangs ausweichend zu antworten; irgendwann lässt er aber alles aus sich herauskitzeln. Zwangsläufig macht Brünhofer sich, so in die Zwickmühle genommen, über sein Leben und seine Ehe weitreichende Gedanken. Catrin Meyrs beharrliche Fragerei verhilft Brünhofer so letztendlich zu unerwarteter Selbstreflexion.
Schade, dass sich die Dialogführung seitenweise ziemlich zäh durch viele Ein-Wort-Sätze liest. Was hier den Lesefluss etwas hemmt, kommt wahrscheinlich der Hörbuchausgabe zugute.
Dennoch bleibt die Konversation der Figuren trotz Catrin Meyrs indiskreter Fragen ansprechend.
Das Ende, das man immer wieder zu erahnen glaubt, verblüfft in ganz anderer Weise, mit überraschender Wendung. Auch die zuvor als zu ausführlich empfundenen Dialoge bekommen noch ihre Berechtigung.
Dieser Roman lebt von seinen Dialogen über die Liebe und unterhält auf angenehmem Level.
Daniel Glattauer: In einem Zug.
DuMont, Januar 2025.
208 Seiten, Hardcover, 23,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.