Vor zwanzig Jahren war Olivia die Fahrerin. Sie hat nichts getrunken, sie soll ihre drei besten Freundinnen nach Hause fahren. Nur verursacht sie im Wald auf einer einsamen Landstraße einen Unfall. Sie wird schwer verletzt und ihre drei Freundinnen sind danach spurlos verschwunden.
Auch nach zwanzig Jahren hat die Kleinstadt, an deren Rande sie mit ihrer Mutter ein Gestüt betreibt, ihr das nicht verziehen. Noch immer ist sie die, die damals die Mädchen totgefahren hat. Noch immer wird getuschelt, wenn sie durch den Ort geht, noch immer reden die Eltern der Freundinnen nur ungern oder gar nicht mit ihr.
Die Journalistin Jenna will einen True-Crime-Podcast über die Ereignisse damals machen und mietet sich zu diesem Zweck in einer Ferienhütte ein. Jenna fungiert in dieser Geschichte als Ich-Erzählerin und man merkt, dass sie nicht aus der Gegend kommt. Nur so kann sie unbefangen auf die Kleinstadtbewohner zugehen und ihre Fragen stellen, auch wenn zu Anfang nicht jeder mit ihr reden mag. Nach und nach taut sie den einen oder anderen Einwohner auf und besonders der Polizist, der damals im gleichen Alter wie die Mädchen war, scheint eine gute Quelle zu sein.
Der Titel „Nur eine kennt die ganze Wahrheit“ führt gewaltig in die Irre, denn Olivia kennt die Wahrheit ganz eindeutig nicht. Das wissen wir deswegen so genau, weil ein Teil der Geschichte aus ihrer Sicht erzählt wird und wir ganz am Anfang auch den Unfall miterleben. Wer ist also hier gemeint? Jenna, die die Wahrheit am Ende vielleicht herausfinden wird? Oder noch jemand anders, aber das müsste dann eine Frau sein und das kann nicht sein, weil es doch nur Männer sind, die zuerst am Unfallort sind oder damit zu tun haben könnten.
Verwirrend sind auch die Einschübe aus einem Urlaub in Thailand. Wer sind diese geheimnisvollen jungen Leute, die dort Luxusurlaub machen und sich fragen, ob man das mit Drogenschmuggel finanzieren sollte?
Die Autorin legt viele Spuren aus, von denen manche im Sande verlaufen, manche in die Irre führen und manche erst ganz am Schluss Sinn ergeben.
Ich fand nicht, dass der Thriller Längen hatte, im Gegenteil fand ich ihn mit jeder Wendung nur spannender. Zwar war die Lösung ein bisschen sehr „Out-of-the-box“, diese Konstellation hat man so gar nicht auf dem Schirm, aber irgendwie war es dann doch im Ganzen logisch. Jennas Rumhampelei mit ihrer eigenen Familie hätte Claire Douglas sich meiner Ansicht nach sparen können, das hat die Geschichte nicht vorangetrieben und eigentlich nur genervt. Aber sonst fand ich den Roman durchaus gelungen.
Fazit: Spannender Thriller, bei dem einen die Frage einfach nicht loslässt, was da bloß geschehen sein kann und wer was damit zu tun hatte.
Claire Douglas: Girls Night – Nur eine kennt die ganze Wahrheit
Aus dem Englischen übersetzt von Ivana Marinović
Penguin April 2024
Paperback 16 Euro, 416 Seiten
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.