Bruno Hof: Serera: Erstes Buch: Die zwei Welten

„In der Literatur ist alles schon einmal dagewesen.“ Sagt man. Schon aus dem Klappentext geht hervor, dass der Seelenlose Ängste und Bosheit der Menschen verkörpert und sich aus ihnen nährt. Dies ist ein eher in Horrorromanen gängiges Motiv. Für mich, der ich selbst schreibe, standen daher die Fragen im Vordergrund: Wie überträgt Bruno Hof in seinem Debütroman dieses Bild ins Genre Fantasy? Und wie drückt er es schriftstellerisch aus? Beide Fragen durfte ich nach der Lektüre mit einem einzigen Wort beantworten: überzeugend.

Fantasywelten zeigt uns der Altmeister Tolkien als das fruchtbare, liebliche Auenland oder als das öde, lebensfeindliche Mordor. Hof führt uns in beide Welten: Aus seiner Jahrtausende währenden Verbannung sucht der Seelenlose von Serera aus das Tor zu den Menschen zu öffnen, um mit seinen Horden Grauen erregender Bestien alles Leben zu vernichten. Ausgerechnet dem sechzehnjährigen Robin übergibt die sterbende Torwächterin den Schlüssel. Auf der Flucht vor dem hyänenhaften Späher des Seelenlosen flieht er mit seiner jüngeren Schwester Elina aus dem idyllischen Städtchen Torheim unbeabsichtigt nach Serera, wo sie in einer Welt voller grauenhafter Geschöpfe nur Folter und Tod vor Augen haben. Nach ihrer unverhofften Befreiung stellen sie sich mit ihren neuen Verbündeten einem mehr und mehr aussichtslos scheinenden Kampf gegen den Einen, den Seelenlosen, der ihnen mit allen Mitteln den Schlüssel abzujagen trachtet.

Aufgeteilt ist der Roman in kurze Kapitel, die abwechselnd einzelnen Figuren gewidmet sind und in der dritten Person aus deren Perspektive erzählen. Indem Hof Kinder agieren lässt, ruft er Assoziationen zu Michael Endes Unendlicher Geschichte wach und erzeugt jede Menge Sympathie. Sprache und Bilder wechseln zu Beginn zwischen der Düsternis des Subgenres Dark Fantasy und dem lebhaften Detektivspielen in englischen Kinderkrimis. Deren Leichtigkeit endet abrupt mit Robins Eintritt in die Parallelwelt Serera, die neben der Ödnis auch idyllische Plätze aufweist. Tiefgang ist bei beiden Sprach- und Bilderwelten das A und O. Der Autor versteht es, uns die wissensmäßige und charakterliche Reifung seiner Figuren miterleben zu lassen, egal auf welcher Seite sie stehen. Interessant und gelungen ist das mehrmalige Aufsetzen vieler Szenen aus dem jeweils entgegengesetzten Blickwinkel. Dieser literarische Schachzug fordert uns auf, das Gleiche unterschiedlich wahrzunehmen und zu gegensätzlichen moralischen Wertungen zu gelangen. Hierbei zollen wir dem Schreibstil Hofs ein weiteres Mal Respekt, nämlich dafür, dass jede Spezies seiner Geschöpfe – der guten wie der bösen gleichermaßen – ihre eigene Denk- und Sprechweise pflegt. Handlungsbedingt taucht der Leser ein in eine manchmal hektische Abfolge von Szenen, gelegentlich mit Cliffhangern, was das Cross-Over von Fantasy und Abenteuerroman geschickt um die Spannungselemente eines Thrillers erweitert.

Ungeachtet ihrer häufig englisch klingenden Pseudonyme stammen aus Deutschland viele gute Fantasyautoren. Unbestreitbar gehört Bruno Hof dazu. Sein Debüt überzeugt durch die treffend umgesetzte Idee des Seelenlosen und durch eine der Bedrohung zum Trotz lebendige, bildhafte Sprache. Das heißt auch – aber nicht immer – gefällig, entspannt und fröhlich. Ebenso kann es unheimlich und unheilvoll bedeuten. Kopfkino eben. In jeder Szene passt die Sprache zur Stimmung. Dabei sind auch düstere Figuren in ihren Motiven und Gefühlen so greifbar dargestellt, dass der Leser sich mit ihnen identifizieren könnte, hätte sie der Autor nicht von vornherein als böse definiert. So ist Serera ein unaufdringliches Plädoyer für Toleranz und ein verantwortungsvolles Miteinander. Rundum ist das Buch dermaßen fesselnd, dass man es nicht aus der Hand legen möchte. Spannung und Dramatik steigern sich bis zum Schluss. Für Fantasyfans ist es erste Wahl und für Liebhaber von Portal Fantasy ein Must-Read. Ich habe es genossen, empfehle es begeistert weiter und warte mit Ungeduld auf den zweiten Band.

Bruno Hof: Serera: Erstes Buch: Die zwei Welten.
Calderan, September 2021.
832 Seiten, Gebundene Ausgabe, 29,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Michael Kothe.

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