Ingrid Noll: Tea Time

Ooops… i did it again! Niemand mordet so beiläufig, amüsant und abgeklärt wie Ingrid Nolls Protagonistinnen. Da macht auch ihr neuester Roman keine Ausnahme. Ruckzuck laufen aberwitzige Alltagssituation aus dem Ruder und die (Anti-) Heldinnen improvisieren mit drastischen Maßnahmen. Das liest sich einfach rundum köstlich! Erst recht, wenn Noll in „Tea Time“ ihre sechs Protagonistinnen mit derart aberwitzigen Marotten ausstattet. Fransenfimmel, kokonartige Schlafrituale, das Deuten von „Wolkenhoroskopen“ oder das Bedürfnis, in fremde Häuser einzudringen: Die Freundinnen haben nicht umsonst den „Club der Spinnerinnen“ gegründet.

Schon seit Jahrzehnten zeigt die deutsche Autorin Ingrid Noll, dass Krimis wunderbar ohne Blut, Gemetzel oder Psychosen auskommen. Ihre Werke überzeugen durch Köpfchen und Charme. Und einer hinreißenden Beobachtungsgabe für die kleinen Absurditäten des Alltags, die jede Menge unvermuteten Sprengstoff bieten. So auch in diesem Fall… Weiterlesen

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John Sutherland (Hrsg.): In 80 Büchern um die Welt

Der Titel führt ein wenig in die Irre, denn es sind nicht ausschließlich Weltreisen, um die sich die erwähnten 80 Bücher drehen. Nein, es geht insgesamt um das Reisen schlechthin, das Reisen in unbekannte Region, auf gefährlichen, beschwerlichen Wegen, mit ungewissem Ziel.

Wunderschön aufgemacht ist er, dieser Band, an welchem eine Gruppe von mehr 50 Autoren und Autorinnen mitgewirkt hat. Eine fesselnde und spannende Sammlung von bekannten und weniger bekannten, von berühmten und vergessenen Büchern, die sich allesamt mit dem Reisen beschäftigen.

Chronologisch geordnet, beginnend mit der wohl berühmtesten Reise, der Odyssee, über die Entdeckungsfahrten bis hin zu den Abenteuerreisen, über die Lehrjahre auf Reisen bis zu den Roadmovies unserer Zeit, stellt dieses Buch Romane der verschiedensten Gattungen und Zeiten vor.

Jedes wird mit dem Cover der Originalausgabe gezeigt, man erfährt kleine Details zum Erscheinen, zum Verfasser und zur Geschichte des Romans. Es handelt sich übrigens bewusst nur um Romane, Sachbücher sind in der Auflistung nicht vertreten, ein besonderer Charme, wie ich finde. Weiterlesen

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Richard Kadrey: Sandman Slim 02: Höllenjäger

James Stark war, nein, ist eine Legende in der Hölle. Unter dem Namen Sandman Slim hat er sich in der Arena im Kampf gegen jede Menge Höllengezücht einen Namen als Killer gemacht. Jetzt ist er zurück in Los Angeles – der Stadt der Engel.

Doch auch ein aus der Hölle zurückgekehrter Nephilim muss leben – zumal die Videothek, die er mit einem weiteren Höllenabkömmling, dem sein Körper abhanden gekommen ist, gemeinsam betreibt, nicht eben Reichtümer abwirft. Da kommt es geschickt, dass ein Engel Station in L.A. macht. Luzifer persönlich, der gefallene Engel Nummer Eins ist zu Gast in der Filmstadt. Hier will der Höllenfürst offiziell bei der Verfilmung seines Lebens nach dem Rechten schauen, inoffiziell wird es ihm in der Hölle ein wenig zu heiß. Seine Kollegen rüsten zur Rebellion, da ist ein Ausflug in irdische Gefilde angesagt. Um nicht ganz schutzlos zu sein, engagiert er Sandman Slim als Leibwächter.

Als dieser dann eine tschechische Pornodarstellerin, die zum Zeitvertreib Jagd auf Zombies macht, kennenlernt, gehen sie alle interessanten Zeiten entgegen – macht sich doch eine Horde Untoter auf, an Sandman Slim herumzuknabbern – etwas, das die letzten Hemmungen bei ihm zerbröselt und ihn auf eine Vendetta der besonders grausigen Art entsendet … Weiterlesen

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Volker Kutscher: Transatlantik

Der letzte Krimi um den Berliner Kommissar hat ja einen gemeinen Cliffhanger enthalten. Wir erinnern uns, er endete, als die „Hindenburg“ mit Gereon Rath an Bord steuerte auf den Landeplatz in Lakehurst zu. Dazwischen gab es noch den liebevoll gezeichneten Band „Mitte“, der den Leser über Fritzes Schicksal aufklärte, aber auch nicht gut endete. Umso sehnlicher wurde dieser neue Band um Gereon Rath, Charlie Rath und Fritze erwartet.

Und die Fäden werden wieder aufgenommen. Allerdings beginnt der Roman nicht am 6. Mai 1937, sondern bereits einige Wochen früher. Gereon Rath hat sich nach Wiesbaden verzogen und arbeitet als Auslieferfahrer. Er wähnt sich hier sicher, in Berlin hält man ihn für tot und hier meint er niemanden zu kennen. Aber er hat einfach zu viele und zu weitgestreute Bekannte und einer davon erkennt ihn auch in Wiesbaden. Rath wird erpresst, aber er bekommt auch die Gelegenheit, genug zu verdienen, um in Amerika einen Neuanfang zu wagen. Wenn er die „Hindenburg“ besteigt.

Charlie Rath ist aus Prag zurückgekehrt, nachdem sie von Fritzes Verhaftung erfahren hat. Sie bewirbt sich erneut um die Vormundschaft des Jungen und um ihn aus der Irrenanstalt herauszuholen, hat sie einen ganz besonderen Zeugen aufgetrieben Weiterlesen

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Alice Oseman: This Winter: Weihnachten mit Nick & Charlie

Alice Oseman erzählt in ihrem Kurzroman This Winter, wie Charlie und Nick versuchen, aus einem Weihnachtsfest das Beste zu machen. Bei Charlie läuft es zurzeit extrem stressig. Dies liegt unter anderem daran, dass seine Eltern noch nicht genau wissen, wie sie mit Charlies Erkrankung umgehen sollen. Eine Essstörung will einfach nicht zu einem ergiebigen Weihnachtsessen im großen Kreis der Familie passen. Auch die Cousinen und deren Eltern nerven Charlie mit endlosen Fragen, die nicht nur gefühllos, sondern auch mit Vorurteilen gespickt sind. Das Fest der Freude und des Friedens verdient in diesem Jahr eher einen anderen Titel.

Wie immer beschreibt die Autorin und Zeichnerin auf eine charmante und humorvolle Weise, wie sich Charlie und Nick durch ein Weihnachtsfest mit seinen unvermeidbaren Hürden kämpfen. Aus den Perspektiven der Geschwister Charlie, Tori und Oliver wird von einem „typischen“ Familientreffen erzählt, das untypisch unangenehm aus dem Rahmen fällt. In diesem Durcheinander an Wünschen und Forderungen zeichnet Alice Oseman mit Worten und Bildern ihre Charaktere so sympathisch, dass sie den Lesern schnell ans Herz wachsen dürften. Weiterlesen

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Jennifer Estep: Die Saphirkrone: Gargoyle Queen 1

Gemma ist eine verwöhnte, oberflächliche Prinzessin: Sie liebt Glitzer, Kleider und Bälle und hat als behütete Thronerbin keine weiteren Sorgen, als wie sie sich die Haare frisieren soll. Zumindest ist das die Fassade, die sie aufrechterhält. In Wahrheit ist sie nicht nur eine der mächtigsten Mentalmagierinnen der Welt, sie ist außerdem eine Spionin und ihre Aufträge sind sehr viel gefährlicher, als es ihrer Familie lieb ist.

Vor allem ihre aktuelle Mission artet ungewollt aus: Eigentlich sollte sie, verkleidet als Minenarbeiterin, herausfinden, wer Andvaris königliches Bergwerk ausraubt, bis sie auf Leonidas trifft: gutaussehender Prinz aus dem Nachbarland Morta, ebenfalls ein starker Mentalmagier – und ihr größter Feind. Als sie ihn trotz allem vor dem Tod durch seine eigenen Leute rettet, tritt sie eine ungewollte Ereigniskette los, die darin ausartet, dass sie in Mortas Hauptstadt landet, ausgerechnet im Schloss der königlichen Familie – einer Familie, die alles dafür tun würde, sie tot zu sehen. Dass sie aus einem Wunder heraus niemand zu erkennen scheint, ist eine zu große Chance, die sich Gemma nicht entgehen lassen kann. Sie beschließt also, im Schloss zu bleiben und Mortas Königsfamilie auszuspionieren. Weiterlesen

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Monika Helfer: Vati

Monika Helfers Familienchroniken sind eine Extraklasse für sich. Kein Wunder, dass die aus dem Bregenzerwald stammende Autorin in den letzten Jahren Dauergast auf den Shortlists diverser Buchpreise war und 2021 den Schubart-Literaturpreis für „Die Bagage“ gewonnen hat. Während jener Roman das Leben ihrer Großeltern in den Bergen beleuchtet, denen die Kombination aus Armut, Schönheit und einem fatalen Gerücht beinahe zum Verhängnis wird, schildert „Vati“ das Leben ihrer Mutter (dem scheinbaren Bastard) und dem Mann, den Sie heiratet – dem titelgebenden Vater. Dieser Mann prägt die Autorin bis heute, nicht nur weil sie von ihm die Liebe zur Literatur vererbt bekam. Der Vater ist eine von Widersprüchen gekennzeichnete Person und dabei gleichzeitig ein Sinnbild für eine Generation sinnsuchender Männer nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Roman, leise und liebenswert und dabei doch kraftvoll und wuchtig zugleich!

Der Vater stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Jede Nacht muss das Wasser in den Schalen aufgegossen werden, in denen die Bettfüße stehen, damit kein Ungeziefer unter die Decken krabbelt. Früh zeigt der Vater jedoch besondere Geistesgaben, vor allem seine Liebe zur Literatur, die durch einen Gönner gefördert wird. Später verliert der Vater im Zweiten Weltkrieg ein Bein, gewinnt aber eine Frau. Monika Helfers Mutter hat im Kriegslazarett gearbeitet. Eine „Versehrtenliebe“. Nach ihrer Hochzeit ziehen sie zunächst auf den ärmlichen Hof der Bagage, später erhält der Vater einen Posten als Leiter eines Kriegsversehrtenheims oben auf der „Tschengla“, wo der Berg ruft, die Luft sauber und die Idylle perfekt ist. Weiterlesen

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Gloria Naylor: Die Frauen von Brewster Place (1982)

Der Brewster Place ist ein teilweise abgeriegelter sozialer Brennpunkt am Rande einer amerikanischen Großstadt. Anfangs führte an den Hochhäusern eine Straße vorbei, die in eine Einkaufsstraße mündete. Später wurde an dieser Mündung eine Mauer quer über die Straße gebaut, so dass nur noch die Bewohner aus den oberen Etagen auf das geschäftige Treiben und die Lichter schauen konnte. Wer nach dem Mauerbau zum Brewster Place zog, hatte in der Regel bereits alles für seinen sozialen Aufstieg versucht und sich mit dem Scheitern abgefunden. Hier zog niemand mehr weg, es sei denn mit den Füßen zuerst.

Die New Yorker Autorin Gloria Naylor (1950-2016) zeigt in ihrem nach wie vor modernen Debütroman aus dem Jahr 1982, wie schwarze Frauen mal mit oder ohne Kinder ihren Alltag mit harter Arbeit und Armut bewältigen. Das Besondere in diesem Roman ist nicht nur der ungewöhnliche Aufbau sondern auch der Fokus auf die Frauen. Das Leitthema ist die Frage: Was passiert mit schwarzen Frauen, denen die Chance auf Bildung und sozialen Aufstieg erschwert wird oder wenn sie mit einer guten Schulbildung ihren Platz in der Gesellschaft finden wollen?

In diesem Kontext spielen Männer in dem von der Autorin eng definierten Verhaltensmuster meist nur eine penetrierende Rolle. Mal helfen ihnen dabei Überzeugungskünste oder im schlimmsten Fall Gewalt. Weiterlesen

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Julian Barnes: Elizabeth Finch

Neil, ein Student, der sich bereits in seinen 30ern befindet, ist völlig fasziniert von seiner Professorin Elizabeth Finch. Sie ist nicht nur eine Dozentin alter Schule, sondern „antiquierter Schule“, wie es einmal im Buch heißt. Sie trägt festes Schuhwerk und redet druckreif und ausgesprochen geist- und kenntnisreich über das Altertum.

Ihre Studenten sind ihr entweder vollkommen hörig, wie Neil, oder lehnen sie rundheraus ab.

Elizabeth Finchs besonderes Interesse gilt der Heiligen Ursula, die angeblich im 4. Jahrhundert gemeinsam mit 11.000 Jungfrauen bei Köln hingerichtet worden ist, und dem letzten heidnischen Kaiser Roms, Julian Apostata. Der hat ebenfalls im 4. Jahrhundert versucht, das Christentum zurückzudrängen. Sie stellt Fragen wie: Wie hätte sich die Welt entwickelt, wenn ihm das gelungen wäre?

Wer sich auf dieses Buch einlässt, sollte ein gewisses Grundinteresse an solchen Themen, aber auch an philosophischen und religiösen Fragestellungen allgemein haben. Weiterlesen

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Karen Duve: Sisi

Einen Roman über „Sisi“, Kaiserin von Österreich-Ungarn, zu schreiben, ist eine mutige Sache. Karen Duve hat sich dieser Herausforderung gestellt, unzählige Originaldokumente durchforstet und eine unglaublich akribische Recherche betrieben. Das hat sich gelohnt. Insbesondere drei Personen stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Zum einen ist das Elisabeth selbst, strahlendes Zentrum des Geschehens. Des Weiteren ihre Nichte Marie Louise Baronesse Wallersee, fast genauso schön, genauso schlank und eine besessene Reiterin wie ihre Tante. Außerdem gibt es noch die Hofdame Marie Festetics. Sie verehrt Elisabeth abgöttisch. Es geht viel ums Reiten und um die Jagd in diesem Buch. Beides von Elisabeth tatsächlich exzessiv betrieben. Es wird skizziert, wie skrupellos sie ihre unvergleichliche Schönheit einsetzt, wie sie Ehen arrangiert, die ohne Widerspruch eingegangen werden müssen und wie sie dabei sogar ihre eigene Tochter Gisela verschachert. Ihre Angst vor dem Alter ist ein ständiges Thema und die Beziehung zu Franz Joseph, der alle ihre Eskapaden bezahlt. Elisabeth wird suggestiv, manipulativ und absolut empathielos gezeichnet.  Ihr Wille ist Befehl. Weiterlesen

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