Volker Kutscher: Transatlantik

Der letzte Krimi um den Berliner Kommissar hat ja einen gemeinen Cliffhanger enthalten. Wir erinnern uns, er endete, als die „Hindenburg“ mit Gereon Rath an Bord steuerte auf den Landeplatz in Lakehurst zu. Dazwischen gab es noch den liebevoll gezeichneten Band „Mitte“, der den Leser über Fritzes Schicksal aufklärte, aber auch nicht gut endete. Umso sehnlicher wurde dieser neue Band um Gereon Rath, Charlie Rath und Fritze erwartet.

Und die Fäden werden wieder aufgenommen. Allerdings beginnt der Roman nicht am 6. Mai 1937, sondern bereits einige Wochen früher. Gereon Rath hat sich nach Wiesbaden verzogen und arbeitet als Auslieferfahrer. Er wähnt sich hier sicher, in Berlin hält man ihn für tot und hier meint er niemanden zu kennen. Aber er hat einfach zu viele und zu weitgestreute Bekannte und einer davon erkennt ihn auch in Wiesbaden. Rath wird erpresst, aber er bekommt auch die Gelegenheit, genug zu verdienen, um in Amerika einen Neuanfang zu wagen. Wenn er die „Hindenburg“ besteigt.

Charlie Rath ist aus Prag zurückgekehrt, nachdem sie von Fritzes Verhaftung erfahren hat. Sie bewirbt sich erneut um die Vormundschaft des Jungen und um ihn aus der Irrenanstalt herauszuholen, hat sie einen ganz besonderen Zeugen aufgetrieben: Fritzes leiblichen Vater, ein Arier, wie er im Buche steht. Fritze kommt frei, aber nicht wirklich und immer noch ist Hannah Singer in der der Irrenanstalt und das macht ihn erpressbar.

Charlie weiß, dass Gereon seine angebliche Erschießung überlebt hat, aber sie weiß auch, dass er mit den „Hindenburg“ in die USA wollte.

Obwohl „Transatlantik“ auf zwei Kontinenten spielt, begegnen uns alte und neue Freunde und Feinde. Viele von den Menschen, die Gereon in Berlin kannte, sind bereits in den USA, entweder weil sie Juden sind, oder weil sie sich aus anderen Gründen mit dem neuen Regime nicht arrangieren konnten.

Der Roman liest sich gut, mit viel Lokalkolorit aus Berlin. Faszinierend fand ich, wie ernst man in Berlin 1937 mit einer Luftschutzübung umging. Da war ja vom Krieg noch keine Rede und doch wurde das deutsche Volk bereits darauf vorbereitet – immer noch ohne die Ziele der Nazis zu durchschauen. Volker Kutscher zeigt uns eine Welt, in der der Rechtsstaat keiner mehr ist, in dem der politische Leumund wichtiger ist als die Wahrheit. Und auch erfolgreicher.

Ursprünglich hatte Volker Kutscher mal gesagt, dass seine Gereon Rath Romane mit der Olympiade 1936 in Berlin enden sollten. Zum Glück hat er das nicht wahrgemacht und auch dieser Roman scheint seinem Ende nach noch nicht das Ende zu sein.

Kutschers Romane sind unter dem Titel „Babylon Berlin“ verfilmt worden, die vierte Staffel ist gerade bei Sky angelaufen. Und doch ist „Babylon Berlin“ nur lose an die Romane angelehnt. Selbst die Hauptcharaktere sind anders angelegt als in den Romanen und das ist bei Verfilmungen schon eher eine Seltenheit. Selbst wer also die Serie bereits in- und auswendig kennt, wird von den Romanen angenehm überrascht sein.

Volker Kutscher: Transatlantik.
Piper, Oktober 2022.
592 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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