Paris, 1911: Eva verspricht sich viel, als sie in die schillernde Metropole kommt. Mit Hilfe einer Freundin gelingt es ihr in kürzester Zeit, eine Anstellung hinter der Bühne beim Theater Moulin Rouge zu bekommen. Ihre Arbeit als Näherin verzaubert bald alle – und noch jemand ist verzaubert: der aufstrebende Künstler Pablo Picasso! Obwohl er in festen Händen ist, beginnen die beiden eine Affäre, die für Eva nicht nur Gutes bringt. Der exzentrische Künstler ist schwer zu ertragen und doch wird sie immer mehr zu seiner Muse.
Anne Girard wendet sich ihrem Roman einer Persönlichkeit zu, die im historischen Genre noch nicht viel Beachtung gefunden hat. Das frühe 20. Jahrhundert als solches allerdings findet im vom Mittelalter gelangweilten Publikum immer mehr Anklang. Es ist in „Madame Picasso“ toll umgesetzt und zeigt die Schere zwischen Arm und Reich in Paris, zwischen der sich Eva bald mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegt. Tolle, farbenprächtige Beschreibungen stellen ein Bild dar, das sehr lebendig und authentisch wirkt.
Eva ist zu Beginn des Romans 26 Jahre alt, Picasso 30. In einem solchen Alter sollte eine Frau, die etwas auf sich hält, natürlich bereits verheiratet und Mutter sein. Einen mittellosen Bewerber gäbe es in dem Maler Louis sogar, doch Eva hält etwas auf sich und gibt seinem Werben nicht nach. Bei Picasso allerdings denkt sie weniger nach, fühlt sich von ihm fasziniert und zu ihm hingezogen. In Mittelpunkt steht die Liebesgeschichte des Paares, nicht Picasso als solcher. Wer einen Roman über den Künstler lesen möchte, ist hier falsch unterwegs. Obwohl die Perspektive zwischen ihm und ihr schwankt, erfährt man wenig Künstlerisches und nur eingeschränkt etwas zu seinem Leben. Das macht den Roman allerdings nicht schlechter. Er richtet sich an ein weibliches Publikum und versucht das Thema emotional anzugehen. Manchmal bleiben einem die Emotionen fern, mitfühlen ist nicht immer möglich, aber alles in allem ist „Madame Picasso“ schon allein wegen der tollen vorherrschenden Atmosphäre lesenswert!
Anne Girard: Madame Picasso.
Aufbau, März 2015.
478 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.