Den vielleicht etwas kitschigen Titel „Wenn die Nacht in Flammen steht“ trägt ein Buch aus Amerika, das gar nicht kitschig ist, sondern spannend und einfühlsam. Autorin Anita Shreve (1946 – 2018) schreibt über die junge Frau Grace, die 1947 in Hunts Beach/Maine mit Ehemann Gene und zwei kleinen Kindern in einem Häuschen am Meer lebt.
Gene ist zwar nicht besonders liebevoll, aber die kleine Familie kommt insgesamt über die Runden. Das ändert sich, als fast das gesamte Städtchen von einem gewaltigen Feuer zerstört wird. Grace und die beiden Kinder überleben nur knapp, Gene bleibt vermisst.
Grace braucht lange, um sich eine Art neuen Alltag im Haus ihrer zuvor gestorbenen Schwiegermutter aufzubauen. Sie lernt den feinfühligen Pianisten Aidan kennen, der sich ebenfalls in das Haus geflüchtet hat, und verliebt sich in ihn. Doch ist der vermisste Gene wirklich tot?
Anita Shreve gelingt es in ihrem letzten Roman hervorragend, den Leser für die junge Grace einzunehmen. Zeitweise ist das Buch so packend, dass man sich kaum traut weiterzublättern. Das gilt nicht nur für die Passagen, in denen die kleine Familie dem Feuer zu entkommen versucht, sondern besonders für den zweiten Teil, in dem sich für Grace eine dramatische Situation ergibt.
Ganz nebenbei lernt man, wie es um die Rolle der Frau in einer Zeit bestellt war, die noch gar nicht lange zurückliegt. Sie hatte für ihren Mann zu sorgen und sich im Großen und Ganzen seinen Wünschen unterzuordnen – auch dann, wenn sie mental viel stärker war als er. Ein Auto fahren zu können, geschweige denn eines zu besitzen und einem Job nachzugehen, waren die großen Ausnahmen. So gesehen ist dieser Text auch ein guter zeitgeschichtlicher Roman, in dem sich die starke Heldin am Ende gegen die Konventionen stemmt, wozu in ihrer Zeit viel Mut nötig war.
Das große Feuer in Hunts Beach hat es 1947 übrigens wirklich gegeben.
Anita Shreve: Wenn die Nacht in Flammen steht.
Pendo, Januar 2019.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.