Angela Steidele: Rosenstengel: Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwigs II.

roseAnastasius Rosenstengel ist „ein Weibsbild in Hosen“.
Eigentlich ist Rosenstengel eine Frau, nämlich Catharina Linck, doch er/sie erfindet das eigene Leben neu, ändert mehrmals Geschlechts- und Religionszugehörigkeit und greift somit in das eigene Schicksal ein. So wird aus dem armen Waisenkind Catharina ein männlicher Prophet, Soldat und Liebhaber „schöner Weibesmenschen“.
Die Gründe für den Wechsel von Rosenstengels Geschlechtsidentität sind unterschiedlich: Als Soldat (1705-1711) rettet sie das Frausein vor dem Todesurteil, als sie als Deserteur angeklagt wird. In Halberstadt heiratet sie dann 1717 als Anastasius Rosenstengel Catharina Margaretha Mühlhahn.
Und wieder ändert sie einen Teil ihrer Persönlichkeit, indem sie zum Katholizismus übertritt.
Ihre Identitätswechsel scheinen oft von profanen Überlegungen herbeigeführt: Im Mai 1720 konvertierte sie zum Luthertum.
Als die Schwiegermutter entdeckt, dass Rosenstengel eine Frau ist, wird Rosenstengel verhaftet und mit dem Tod bestraft.
Diese zum Teil bekannten Motive aus Rosenstengels Leben wurden vom Irrenarzt Franz Carl Müller 1891 in Teilen veröffentlicht (in „Friedrichs Blättern für gerichtliche Medizin und Sanitätspolizei“). Die gesamte Prozessakte gegen Linck befindet sich im Staatsarchiv in Berlin, wo Angela Steidele sie suchte, fand und las – sie fand dort auch den „Besuchszettel“ des Irrenarztes, der noch auf der Akte feststeckte. Ihr war klar, dass jener Müller der Irrenarzt war, der einst die Leiche Ludwigs II. von Bayern aus dem Starnberger See zog, und so verbanden sich ihr zwei Lebensläufe zu einer Romanidee: der von Ludwig, dem Schwanenritter, dem Bauherrn phantastischer Schlösser und der der radikalen Schöpferin der eigenen Biographie, Catharina Linck (Rosenstengel).
Beide Lebensgeschichten verbindet Steidele in Briefform, erzählt von den historischen Persönlichkeiten selbst. Erfundene Quellen und Originalzitate von Sisi, Bismarck oder Christian Thomasius, die blumige, wortgewaltige Sprache des 18. Und 19. Jahrhunderts machen den Einstieg in die unglaubliche Geschichte leicht.
Die fast 400 Seiten erzählen eine spannende, erotische und tragische Geschichte, die von Steidele wiederentdeckt und fortgeschrieben wurde und den Lesern unvergessen bleiben wird.
Die Autorin (geb. 19689 hat bisher Sachbücher zum Thema Homosexualität geschrieben, „Rosenstengel“ ist ihr erster Roman.

Angela Steidele: Rosenstengel: Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwigs II..
Matthes & Seitz Berlin, August 2015.
383 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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