Es ist schon so eine Krux – da ist man, ja gut, eher Mädchen oder angehende Frau und wirklich talentiert, darf aber aufgrund des Geschlechts, der Ingenieursgilde, die in der Hauptstadt ihren Nachwuchs ausbildet, nicht beitreten. Und dies, obwohl Aihui Yings Vater ein angesehener Erfinder ist. Letzteres wird dem armen Mann zum Verhängnis. Eines Tages muss Ying mit ansehen, wie ein maskierter Attentäter ihren Vater meuchelt. Ihr bleibt nur dessen Notizbuch und ein Anhänger, den sie dem Täter im kurzen Handgemenge nach dem Mord, entreißen konnte.
Sie muss, ach was, stimmt nicht, sie will Rache. Ergo macht sie sich, natürlich verkleidet als Junge, auf in die Hauptstadt, um Ingenieurwissenschaften zu studieren und den Täter zu suchen. Dumm nur, dass es eher zu viele Verdächtige und Hinweise nebst Geheimnissen gibt, als zu wenig. Und für eine Romanze hat sie dabei so gar keine Zeit – sehr zum Leidwesen mehrerer junger Galane …
Cross Cult verspricht sich so einiges vom Auftakt der kleinen Reihe. Nicht umsonst hat der Verlag dem Roman neben der Paperback-Ausgabe auch eine Hardcover-Edition nebst Rundumfarbschnitt gegönnt, hofft man doch darauf, dass bei der gebotenen Mischung aus fernöstlichem Setting und technisch angehauchter Fantasy-Handlung, die Kassen in den Buchhandlungen klingeln.
Die Handlung selbst entspricht zunächst in Vielem dem Gewohnten. Wir haben unseren jungen Protagonisten – hier eine Frau – deren Welt durch ein einschneidendes Ereignis abrupt gestört wird. Sie sucht Rache, zieht an eine Schule in der großen Stadt und macht sich auf, nicht nur dem Schulbetrieb zu folgen, sondern auch den Mörder zu suchen.
Das ist als Grundthema nicht neu, richtet sich eher an ein jüngeres Publikum, macht es dann aber wahrlich nicht schlecht.
Ja, der Hintergrund der Stadt, mehr noch, der ganzen Kultur bleibt ausbaufähig, doch die fast schon unumstößliche Romanze kommt, unerwartet für mich, erst einmal nicht, die Suche nach Motiv und Täter rückt in den Vordergrund. Hier gibt es jede Menge Geheimnisse und Verbindungen, die sich offenbaren, entsprechend ist für Spannung und Dramatik gesorgt. Im Verlauf der Handlung entwickeln sich die Figuren, allen voran unsere Erzählerin, immer weiter, nehmen deutlicher Kontur an und wirken damit lebensechter und interessanter.
Des Weiteren geht es viel darum, sich selbst zu finden, zu entscheiden, wie man, wie sie sich verhalten und entwickeln soll und wem nur sie vertrauen kann. Intrigen, wohin wir schauen, Verbündete, die sich anbieten, von denen unsere Ying aber nicht wirklich weiß, ob sie tatsächlich auf ihrer Seite stehen.
Das Gebotene liest sich, trotz der vielen bekannten Motive und der wenig dezidiert ausgearbeiteten Bühne, erstaunlich rund und flüssig. Der Plot entwickelt eine Sogwirkung, die uns bis ins Finale treibt, in dem natürlich weitere Fragen offen bleiben – schließlich soll es ja noch ein, zwei Fortsetzungen geben. Bis dahin, angenehme, leichte Lektüre ohne großen Tiefgang für alle fantastischen Bücherwürmer zwischen 13 und 93 geeignet.
Amber Chen: Von Jade und Drachen – Der Sturz des Drachen Band 1
aus dem singapurianischen Englisch übersetzt von Katrin Aust
Cross Cult Verlag, Dezember 2024
454 Seiten, Taschenbuch, Euro 18,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.