Ein Hauch von „Harold and Maud“ weht durch diesen Roman, in dem eine abenteuerlustige Alte und ein depressiver junger Mann sich auf die Reise nach Brüssel machen. Sie büxt aus einem Altersheim aus und er versucht, eine unglückliche Liebe zu vergessen. Über eine Mitfahrzentrale kommen die beiden zusammen und begeben sich auf die unterhaltsame und spannende Fahrt.
Maxine ist über 90 und glaubt, sie leide unter Alzheimer. Sie möchte den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen, solange sie dies noch kann und will aus diesem Grund nach Brüssel. Alex, der wegen Depressionen in Behandlung ist und sich selbst für einen überängstlichen Versager hält, leidet sehr unter seiner platonischen Liebe zu einer für ihn unerreichbaren Schönheit. Nach anfänglichen Unstimmigkeiten zwischen den beiden sich unbekannten Reisenden fassen sie schnell Vertrauen zueinander. So erzählt Maxine ihm von ihrem verstorbenen Ehemann und von ihrer zur Adoption freigegebenen Tochter, während Alex ihr von seiner hoffnungslosen Liebe und von dem angespannten Verhältnis zu seinen Eltern berichtet.
Aufgrund von Missverständnissen werden die Beiden schließlich polizeilich gesucht, man hält Alex für Maxines Entführer. Auf der nun zu einer Flucht werdenden Reise widerfahren den Beiden die absurdesten Erlebnisse, wie die Verwicklung in einen Tankstellenraub, der Besuch bei einer Wahrsagerin und einiges mehr. Je abenteuerlicher die Erlebnisse werden, desto mehr genießt Maxine ihren Ausflug, denn sie ist eine sehr unternehmungslustige Alte, die es auch mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt. Im Laufe der Zeit verliert Alex einige seiner Ängste und Depressionen und lernt, die schönen Seiten des Lebens zu erkennen.
Die beiden Protagonisten des Romans der französischen Autorin sind sehr charmant, besonders natürlich Maxine, deren Einfälle manchmal reiner Unfug sind, aber aus Herzenswärme geboren werden. Trotzdem schaffen es diese beiden wirklich gut ausgearbeiteten Figuren nicht, den ganzen Plot zu tragen. Viele Dialoge während der langen Autofahrt sind zu lang, bringen die Handlung dabei kaum voran. Bei aller Warmherzigkeit, die dieser Roman vermittelt, steckt er voller Klischees, voller Ideen, denen man schon vielfach in Film oder Buch begegnet ist. Manches erschien mir dann doch zu überladen, die Vorfälle zu absurd. Das Ende ist dann reichlich rührselig und kitschig. Hinzu kommt eine etwas phrasenreiche Übersetzung.
Darüber hinaus fehlte mir eine erkennbare zeitliche und räumliche Einordnung der Handlung. Die Dauer einer Reise von Frankreich – man erfährt nicht, wo genau die Fahrt beginnt – nach Brüssel ist meiner Meinung nach nicht lang genug für all die Geschehnisse, die den Reisenden widerfahren.
Nichtsdestotrotz entwickelt der Roman eine Anziehungskraft, prägen sich die Figuren, vor allem Maxine, der Leserin ein. „Reise mit zwei Unbekannten“ ist trotz allem ein Lesevergnügen, ein Roman zum Wohlfühlen.
Zoe Brisby: Reise mit zwei Unbekannten.
Eichborn, März 2021.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.