Nichts ist so, wie es zunächst scheint. In zehn atemberaubenden Erzählungen lässt Zach Williams das Unheimliche, das Unbewusste, das Unfassbare in den Alltag einbrechen. Seine Protagonisten leben nur scheinbar in geordneten Verhältnissen. In Wahrheit ist jedoch die Welt ein Treibsand. Schnell kann sie einen verschlucken. Hinabziehen in Parallelwelten, alternative Wahrheiten, brüchige Beziehungen. Ein Familienurlaub endet in einer Zeitschleife, ein Unwetter bringt die Bürobeziehungen durcheinander, ein Feld voller ausgegrabener Megalithen gibt Rätsel auf.
Was ist Realität? Sie ist äußerst brüchig in Zach Williams Roman. Sie ist so dehnbar und subjektiv, dass ihr Vorhandensein fast angezweifelt werden darf. Dazwischen immer wieder deutliche Kritik an der modernen Welt. Wenn sogar Disney World verfällt, hat sich der amerikanische Traum ausgeträumt. Lassen Sie sich also von den lieblich klingenden Titel nicht täuschen. Diese Geschichten haben einen Nachgang, der brennt, wie scharfes Chili.
Von subtilem zu surrealem Horror
Subtil kommt das Grauen in der Erzählung „Probelauf“ daher. Der Erzähler flüchtet vor einem Unwetter in seinen leerstehenden Bürokomplex, wo er mit einem Kollegen und dem Wachmann allein ist. Plötzlich treten Geheimnisse und unterschwellige Botschaften ans Tageslicht. Es geht um mysteriöse E-Mails, um die Vorbereitung „auf den großen Zusammenbruch“ und intime Geheimnisse. Ganz offensichtlich kommt der Horror in „Das Sauerkleehaus“ daher. Ein junges Paar erwacht mit seinem einjährigen Sohn in einem Ferienhaus im Wald. Doch sie wissen weder, wie sie dort hingelangt sind, noch welches Leben sie zuvor gelebt haben. Jeder Tag wiederholt sich aufs Neue, die Vorräte sind von Geisterhand aufgefüllt, doch hinter Wald und See scheint es keine andere Welt mehr zu geben. Während das Paar altert und langsam den Verstand verliert, altert ihr Kleinkind nicht und scheint eine Art Unsterblichkeit zu erlangen. Was die Mutter zu finsteren Taten treibt.
Walter taumelt nach einem schweren Verlust in „Lucca Castle“ ziellos durch die Stadt. Erst landet er in einer Bar, dann in einer Sekte, deren Anführer Anschläge auf den Kapitalismus plant, da für die Stadt die darin enthaltenen Körper nichts weiter sind als Rohmaterial, aus dem sie Profit schlagen kann.“ (S.112). Überhaupt gehe die moderne Lebensweise vor die Hunde, seltsame Unfälle mehren sich. „Der Firnis wird dünner. Jeder fürchtet jeden.“ (S.111)
Taumelnde in der modernen Welt
Verlorene Söhne, vertane Chancen, merkwürdige Sex-Dates. Dazwischen immer wieder Menschen, die in Situationen gelangen, mit denen sie hoffnungslos überfordert sind. In „Der neue Zeh“ verfügt ein Baby plötzlich über ein neues Anhängsel am Fuß, in einer anderen Erzählung findet der Protagonist seine alte Nachbarin tot im Sessel vor. Das eigentlich Merkwürdige daran ist jedoch der maskierte Unbekannte im selben Raum, der keine Anstalten macht, zu verschwinden. Dazwischen überall Verschwörungstheoretiker, Gestrandete, Leute, die ihren Fokus verloren haben. Ob nach dem Tod der Ehefrau oder zu Grabe getragenen Träumen. Zach Williams Erzählungen bleiben vage und lassen mehrere Lesarten zu. Gerade deshalb werden sie noch lange nach der Lektüre den Geist beschäftigen. Ein literarisches Debüt, das Ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht. Faszinierend und furchterregend zugleich.
Zach Williams: Es werden schöne Tage kommen.
Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz.
dtv, Februar 2025.
272 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.