Müll ist ein Problem, keine Frage. Plastikmüll erst recht. Der zersetzt sich nämlich nicht, sondern zerfällt in winzig kleine Partikel. So klein, dass sie bereits überall sind. Im Wasser, in Nahrungsmitteln, in uns. Ob sie da was anrichten? Vielleicht.
Wolf Harlander beantwortet die Frage mit einem klaren „ja“. Es trifft die zweijährige Zoe, deren Körper mit den Partikeln nicht mehr fertigwerden kann und die einen potenziell tödlichen Krebs entwickelt. Zoe ist die Nichte der Journalistin Melissa, die gerade über eine Hochzeit recherchiert, bei der das Festmahl auch in mindestens einem Fall tödlich endete. Grund: Mikropartikel im Essen. Dass wir ziemlich viel in Plastik verpacken und damit dazu beitragen, ist die eine Seite. Aber es gibt doch den gelben Sack und eigentlich ist das damit doch geregelt – oder?
Die andere Seite ist, dass sich mit illegaler Müllentsorgung recht gut Geld verdienen lässt. Raus aus Europa mit dem Zeug und dann im Meer verklappen oder auf irgendeiner entlegenen Insel entsorgen. Dumm nur, dass der dafür vorgesehene Frachter im Mittelmeer versinkt und seine Fracht sich an Stränden verteilt, wo man sie wirklich nicht sehen möchte. So auf einmal und eben nicht mehr Stückchen für Stückchen. Zwei BND-Agenten machen sich auf die Suche nach dem Verursacher.
Während ihrer Recherchen stößt Melissa auf ein Start-up, dass sich der Lösung des Plastikproblems verschrieben hat. Sie sind nicht die Ersten, die versuchen, dem Problem mit Bakterien beizukommen, aber anscheinend die Erfolgreichsten. Das ruft Neider auf den Plan.
Partikel ist Pickepacke vollgepackt. Mit Melissas Geschichte und ihrer Suche nach beruflichem Erfolg. Mit der Geschichte ihrer Nichte und dessen Vater, bei denen der Mikroplastik-Krebs nicht der erste Schicksalsschlag ist und wo der Vater sich umso verzweifelter an jeden Strohhalm klammert. Mit der Geschichte des Start-ups und dessen Mitarbeiter, bei denen die meisten nicht sind, was zu vorgeben. Mit der Geschichte und politische Intrigen, die meist auf uralten Seilschaften beruhen. Und nicht zuletzt mit der Geschichte des BND-Agenten, die rätselhaft bleibt, bis ich dahinterkam, dass sich DIESE Geschichte offenbar durch mehrere Bücher des Autors zieht.
Das klingt viel, ist auch viel, ist aber trotzdem nicht völlig überfrachtet. Das Buch liest sich gut, sofern man das bei dem Thema sagen kann. Auch durch die vielen Stränge bleibt es spannend und man bleibt dran bis zum Schluss. Harlander spricht hier einmal mehr ein wichtiges Thema an, dass uns vermutlich irgendwann alle betreffen wird – in Thrillerform.
Wolf Harlander: Partikel.
Rowohlt, Juni 2024.
608 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.