Wolf Haas: Eigentum

Der Österreicher Wolf Haas (Jahrgang 1960) schreibt Krimis und Romane. Für seine Krimis mit dem ehemaligen Polizisten und Detektiv Simon Brenner wurde er mehrfach ausgezeichnet. Einige der Krimis wurden verfilmt. Daneben veröffentlichte Haas mehrere Romane. Am 4. September 2023 erschien sein neuester Roman „Eigentum“ im Carl Hanser Verlag.

Auf dem Packpapier-Einband des Buches prangt ein roter Stempel „Eigentum von Wolf Haas“. Damit auch kein Zweifel über Urheberschaft und Besitz entsteht. Wolf Hass hat über seine Mutter Marianne geschrieben oder besser gesagt über sich und seine Mutter. Im Text wechseln sich Passagen des Ich-Erzählers (Wolf) mit Passagen der Ich-Erzählerin (im Dialekt Mutter Marianne).

Da sitzen die beiden nun drei Tage vor ihrem Tod im Altersheimzimmer der fast fünfundneunzigjährigen Mutter, und der Sohn soll die Eltern der Mutter mit dem Handy anrufen und ihnen ausrichten, dass es der Mutter gut geht. Dabei ist es der Mutter immer schlecht gegangen, immer nur „Arbeiten, Arbeiten, Arbeiten“ und „Sparen, Sparen, Sparen“. Mutter Marianne ist Meisterin der rhetorischen Trias. Ihr Sohn hat sich vorgenommen, über ihr Leben zu schreiben. Und so entsteht ein Bild über das harte Leben der Mutter, die 1923, im Jahr der Hyperinflation, geboren wurde. Die sich immer Grundeigentum gewünscht hat und es bis zum Tod nicht bekommen hat. Die Französisch und Englisch konnte, aber „nicht mit den Leuten“. Und über ihr Verhältnis zu den Söhnen, die ihr nichts als „Sorgen, Sorgen, Sorgen“ bereiteten und denen sie immer wieder die Inflation erklärte. Was für ein seltener und seltsamer Nachruf auf ein Elternteil. Zuerst denke ich: wie respektlos, dann fange ich an zu schmunzeln und werde nachdenklich. Wolf Haas findet einen frech-liebevollen Ton und erzählt auf nur 160 Seiten ein ganzes Leben. Das muss man als Schriftsteller erstmal schaffen. Das schmale Buch entpuppt sich für mich als Lesende als einmaliges Leseerlebnis. Es überzeugt mit seinem eigenwilligen Stil und seinem erfrischenden Charme.

Am Ende steht die Erdbestattung der Mutter auf ihrem knapp zwei Quadratmeter großen Friedhofs-Grundstück an, auf dem ein schmiedeeisernes Kreuz mit ihrem Namen in goldenen Buchstaben steht. Und zur Not hat der Sohn auch noch ihr Handy und könnte sie, „wo sie jetzt ist, einmal anrufen und sagen, dass es ihm gut geht“.

Dann blättere ich zurück und fange mit dem Lesen von vorne an. Bitte lesen, lesen, lesen!

Wolf Haas: Eigentum.
Carl Hanser Verlag,4. September 2023.
160 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.