Als ich den ersten Band vor ca. einem Jahr gelesen habe hat es mich fast umgehauen. Es traf mich unvermittelt, wie ein Schlag in die Magengrube und ich habe das Buch geliebt, gehasst und gefressen. Ein paar Monate vorher war da noch Michel Houellebecq mit „Unterwerfung“ auf meiner Leseliste und ich schwor nach der Lektüre dieser beiden gesellschaftspolitischen Abrechnungen, dass ich keinen Pfifferling mehr auf das Abendland setzen würde. Weil sich (ich zitiere wörtlich aus Subutex 2, Seite 70):“…die Leute seit (…) Jahren das Gehirn haben waschen lassen, dass sie nur noch eins wollen, nämlich ihren Hass auf die Kameltreiber rausschreien. Man hat ihnen die Würde geraubt, die sie in Jahrhunderten des Klassenkampfes erworben hatten, es gibt keinen Moment am Tag, in dem sie sich nicht wie gerupfte Hühner vorkommen, und der einzige gottverdammte Trick, den man ihnen verkauft hat, damit sie sich weniger scheiße fühlen, ist der Triumph, dass sie weiß sind und das Recht haben, auf jeden Dunkelhäutigen herabzusehen. ( …) Die Allianz aus Banken-Religionen und Weltkonzernen hat die Schlacht gewonnen.“
Aber ich komme auch mit Vernon Subutex langsam in ruhigere Gewässer. Die Wut aller Protagonisten wird im zweiten Band langsam gebändigt und es entwickelt sich in eine völlig überraschende Richtung, die ich aber hier nicht vorweg nehmen möchte! Vernon bekommt eine neue Rolle in all diesem Durcheinander, aber er bleibt der, um den sich alles dreht. Im ersten Band war es die Beschreibung seines persönlichen Niedergangs, an deren Ende man nur noch auf sein Verrecken warten konnte. Und jetzt? Vernon selbst wundert sich wohl am meisten über alles. Der Band zwei hat nicht mehr diese wilde Wut auf alles, Frau Despentes beschreibt eher die Charaktere genauer, deren Beziehung untereinander und mischt die Karten neu.
Der fast Erschlagene trinkt ein Bier mit seinem Faschoschlächter und aller Hass kanalisiert sich quasi in eine Sekte und der Erleuchtete (Vernon) geht voran und lächelt milde. Was soll er auch machen? Ich freue mich schon auf den dritten Band, der in Frankreich schon erschienen ist!
Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex 2.
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2018.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.