T. L. Huchu: Das Hospital von Edinburgh: Edinburgh Nights 02

Willkommen zurück in Edinburgh, der Heimat der 15-jährigen Ropa. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester und der schwer kranken Großmutter lebt sie in einem Wohnwagen in einem der vielen Slums der Stadt. Vielen Anderen um sie herum geht es weit schlimmer als ihr. Immerhin konnte sie bislang ihre Familie über Wasser halten, brachte sie Essen auf den Tisch und konnte die Miete berappen. Sie hatte nämlich einen Job – sie sprach mit den noch nicht weitergereisten Toten und überbrachte, für klingende Münze versteht sich, deren Botschaften. Sie haben die Vergangenheitsform bemerkt? Hatte, wie war einmal?

Dann lernte sie nämlich die magische Gemeinschaft und deren Bibliothek kennen, löste einen Fall um von Magiern entführte und grausam getötete Kinder und bekam einen Bibliotheksausweis – ein menschliches Ohr. In all der Aufregung konnte sie ihrer bisherigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen – und die Toten sind nachtragend, sage ich ihnen. Aber auch sowas von beleidigt!

Deswegen steht jetzt der nächste Schritt an – sie hat ein Vorstellungsgespräch. Sie muss schauen, dass sie Geld in die Kasse bekommt.

Ropa will, sie braucht den Job als bezahlte Praktikantin bei Sir Callander, Schottlands obersten Magier. Dass sie es bei der Prüfung als unausgebildetes Mädchen aus einer Migrantenfamilie durch die Snobs der altehrwürdigen Vereinigung nicht leicht haben würde – die Direktorin hat statt eines Stockes einen ganzen Obelisken im Arsch -, hat sie sich gedacht. Um so mehr hat sie geübt, hat den Prometheus-Zauber gemeistert.

Statt aber, wie gewünscht, einen Funken zu erschaffen, liefert sie ein ganzes Feuerwerk – und fliegt deshalb durch die Aufnahmeprüfung. Statt einer bezahlten Lehrstelle kann ihr Callander nur ein unbezahltes Praktikum vermitteln. Alle Pläne, alle Träume perdu.

Dann fragt ihre beste Freundin, eine Heilerin aus dem Hospital, sie um Hilfe. Zwei junge Studenten werden eingeliefert – beide sind so heiß, dass man auf ihrem Körper Spiegeleier braten könnte – was hat sie in diesen Zustand versetzt, wie kann man sie heilen?

Als dann noch ein Kanadier Ropa engagiert, um seine angeblichen Ansprüche auf das Vermögen der Royal Bank of Scotland geltend zu machen, weiß Ropa, dass sie und ihre Freunde einmal mehr tief in mehr als gefährlichen Geheimnissen wühlen dürfen – und dass dies nicht ungefährlich für sie ist – aber vielleicht ist es ja lukrativ …?

Band Zwei der Edinburgh-Night Saga eines gewissen T. L. Huchu liegt vor mir. Der aus Simbabwe nach Schottland gekommener Autor, der im September für einen Kurzbesuch in München und Stuttgart weilte, präsentiert uns einen etwas anders aufgezogenen Urban-Fantasy-Plot.

Eine junge, farbige Migrantin versucht das Überleben ihrer Familie sicherzustellen. Dabei geht sie durchaus integer und bodenständig vor, weigert sich, sich dem Verbrechen, den Gangs der Stadt, für die sie Aufträge annehmen soll, anzuschließen.

Dass das Schicksal in Form des Autors ihr immer neue Steine in den Weg legt, dass ihre Oma, die ihr ein klein wenig von der so ganz anderen afrikanischen Magie, als die, die in Schottland in den Internaten gelehrt wird, vermittelt hat, steht auf der Habenseite, im Soll die Vorurteile des magischen Establishments.

Huchu ist ein schlauer Kopf. So lässt er in seine spannende Handlung viel geschichtliches Wissen einfließen. Etwa, warum Schottland überhaupt den Bund mit England eingegangen ist, oder wie es zur Gründung einer der weltweit größten, systemrelevanten Banken, eben der Royal Bank of Scotland kam.

Seiner Imagination entsprang dann noch eine Art Rebellion Schottlands gegen den englischen König ein paar Jahrzehnte vor der aktuellen Handlung, die dazu führt, dass die besiegten Schotten nun auf Schritt und Tritt den König hochleben lassen und ihm eine lange Regierungszeit wünschen dürfen.

Armut, Not und Verzweiflung haben sich in der Folge in den Gassen Edinburghs eingenistet, um dort zu bleiben. Hier bekommen wir einige wenige weitere Hinweise darauf, was damals vorgefallen ist, wobei das wie und warum weiterhin offen bleiben.

Wieder lässt Huchu sich Zeit, seinen Plot behutsam, fast bedächtig aufzubauen. Nach und nach, unaufgeregt platziert er seine Figuren, stellt uns diese vor, baut bekannte Nebenfiguren weiter aus. Auch die Darstellung der magischen Welt mit den verkarsteten Strukturen wird deutlicher, Verbindungen aufgezeigt und Ressentiments beschrieben.

Weiterhin zu kurz kamen mir die doch sehr dosiert eingestreuten afrikanischen Anspielungen. Außer der Mbira kommt hier leider relativ wenig. Hier besitzt die Reihe weiterhin deutliches, nach wie vor nicht erschlossenes Potenzial uns von einer anderen Kultur, einem anderen Zugang zum Leben, Sterben und zum Tod zu berichten.

Das ist aber Jammern auf hohem Niveau. Der Plot selbst wartet mit überraschenden, nicht vorhersehbaren Wendungen auf, überzeugt mit interessanten Figuren und implantiert geschichtliche Fakten – und, nicht zu vergessen, das Buch liest sich auch noch richtig gut.

L. Huchu: Das Hospital von Edinburgh: Edinburgh Nights 02.
Aus dem schottischen Englisch übersetzt von Vanessa Lamatsch.
Penhaligon, November 2022.
413 Seiten, Paperback , 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.