Mary Gaitskill: Veronica

Dieser außergewöhnlich intensive Roman spielt hauptsächlich in Paris und Manhattan, in den verzweifelt glitzernden 1980er Jahren und besticht durch die zeitlose Tiefe und moralische Kraft eines Märchens. Auf jeder Seite dieses metaphorischen Werkes schimmert seine hypnotische Gefühlstiefe und Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen hindurch. Eine stilistische Studie voller Abstraktionen über Freundschaft, Liebe, Schmerz, Krankheit und Ablehnung.

Lang nicht war ich von einem Schreibstil so angetan wie hier – einzigartig wortgewandt, mit unglaublich vielen intelligenten Metaphern und einer bittersüßen Ironie; – geschaffen mit einem sprachlich beeindruckenden Potpourri. Bis zur letzten Seite überrascht uns die Autorin mit ihrer Sprache, die das Buch, zumindest in dieser Hinsicht, zu einem Meisterwerk macht.

Gleichzeitig macht es genau das auch anstrengend, zu lesen. Kurz vor der Hälfte, begann es mich, zu erschöpfen, denn Gaitskills Erzählung steht der Geschichte im Weg. Gibt es eine Geschichte, einen roten Faden? Ich bin mir nicht sicher.

Wir betraten die große nächtliche Blüte des Vergnügens, eine weit geöffnete riesige dunkle Lilie, die von betrunkenen Feen bevölkert war.“ (S. 162)

~

Die Schatten der Nacht und ihrer Geräusche flimmern feierlich in den Regenpfützen; spiegelverkehrte Welten aus plätscherndem Silber gleiten vorbei, durchsetzt von ein paar Schlammklumpen und grünem Unkraut.“ (S. 87)

Wir begleiten die Protagonistin durch das Leben, das inmitten der nächtlich glamourösen Tyrannei der Modelindustrie spielt. Dabei spüren wir all die Schmerzen, Freuden, Schönheit und Hässlichkeit, die damit einhergehen.

Miss New-York-Model inmitten von Glitzer-Drogenparties. Doch es ist viel mehr. Ein Mysterium, das sie wie einen Schleier umgibt. Fotos von ihr, „die einen Hauch von Europa ausstrahlten und den Hauch einer Welt, in der minderjährige Mädchen reihenweise sexuell genötigt wurden.“ (S. 217)

Die strahlende Vergangenheit bricht in die graue Gegenwart.

Leider haben die bewussten, sich verschiebenden Zeitlinien, Gedanken und das Fehlen einer wahrhaft treibenden Handlung meine angeregte Leseerfahrung getrübt. Also bin ich wirklich hin und her gerissen von diesem Buch. Ich habe es aufgrund der poetischen Handwerkskunst genossen, aber in der Geschichte an sich hat mir das gewisse Etwas gefehlt, vielleicht auch einzig und allein der rote Faden.

Somit gibt es von mir vier Sterne, wenn auch wackelige vier Sterne. Weil Sie es sind, Mary Gaitskill.

Ich trinke meinen Kaffee. Menschen aus dem Traum der vergangenen Nacht stolpern in dunkle Räume, schreien einander an und bemühen sich, ihr Handeln vor mir geheim zu halten“ (S. 12).

Mary Gaitskill: Veronica.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Daniel Schreiber.
Blumenbar, Oktober 2022.
301 Seiten, Hardcover, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.

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