Robert Jackson Bennett: Der Schlüssel der Magie 01: Die Diebin

Sancia hat es im Leben wahrlich nicht leicht gehabt. Aufgewachsen als Sklavin auf einer Plantage hat man an ihr widerliche Experimente durchgeführt. Seitdem hat sie eine metallene Platte im Kopf, auf der die Forscher Skriben eingraviert haben. Vor ihr hat die Operation niemand überlebt, ihr aber gelingt es nicht nur, ihre Peiniger leiden zu lassen, sondern auch zu fliehen.

Die Skriben sorgen dafür, dass sie Gegenstände in ihrem Geist hören kann. Türen verraten ihr, wie man sie öffnet, Böden wer zuletzt oder gerade drauf gelaufen ist, Tresore, was in ihnen versteckt ist. Die Folge ist klar – um in der Metropole Tevanne zu überleben, muss Sancia Geld machen – und mit ihrer Gabe wird sie zur besten Diebin der Stadt. Und genau diese wird angeheuert, aus einem streng bewachten Lagerhaus im Hafen ein kleines Kästchen zu stehlen. Immerhin 20.000 Duvoten soll ihr der Raub einbringen – leicht verdientes Geld denkt sie. Dass bei dem Coup das ganze Viertel in Flammen aufgeht, war so nicht gedacht, doch – wie immer – gelingt ihr der Diebstahl. Nur zu bald merkt sie, dass sie etwas ganz Besonderen gestohlen hat – alle fünf Häuser der Stadt inklusive ihres Auftraggebers sind hinter ihr her, fliegende Söldner, heften sich an ihre Fersen, und auch der Hauptmann der Wasserwacht stellt ihr nach.

Dass sie in dem Kästchen einen skripierten Schlüssel des alten Reiches findet, der nicht nur absolut jedes Schloß öffnet, sondern sich auch mit ihr unterhält macht die Sache dann interessant – kann man doch die Realität mittels des Götteralphabets überzeugen, sich ganz anders als gewohnt zu verhalten. Ergo geht es für die Anführer der Handelshäuser einmal mehr um die Suche nach absoluter, gottähnlicher Macht und Unsterblichkeit – und für unsere Heldin um nichts weniger, als ihr Leben …

Robert Jackson Bennett hat mit der bei Lübbe erschienen Trilogie um die Göttlichen Städte bereits auf sich aufmerksam gemacht. Hier erhob ein Autor seine Stimme, der etwas anders erzählte, der frischen Wind in die angestaubte Fantasy brachte. Vorliegend unterhält er seine Leser erneut mit etwas ganz Eigenem bestens. Als Grundlage dient ihm zunächst eine Protagonistin, der wir sehr gerne ins Abenteuer folgen. Eine junge Diebin, die zunächst einmal versucht zu überleben, die dann verfolgt und gejagt wird und sich letztlich entscheiden muss, ob sie ihr Leben im Kampf wider das drohende Unheil einsetzt. Nach und nach gesellen sich zu der Diebin Sancia Grado weitere Erzähler. Gregor Dandolo, der Hauptmann der Wasserwacht etwa, der Hypatus Orso Ignacio und seine Fabrikatorin Berenice Grimaldi oder die Gründerin Ofelia Dandolo. Zu diesen jeweils sehr interessant und vielschichtig, ja ambivalent gezeichneten Figuren gesellt sich eine Stadt und ein Reich, das von vier rivalisierenden Handelshäusern beherrscht wird. Das größte Pfund, mit dem Bennett aber wuchert, ist seine ganz andere Magie. Man stelle sich das einmal vor, mittels Gravuren können Dinge, sogar Menschen wie man an Sancia sieht, davon überzeugt werden, etwas Anders zu sein, sich anders zu verhalten, letztlich die Realität zu verändern. Das hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit einem Zauberstab oder Hexenkessel zu tun, das ist neu, frisch und mega-interessant.

Das Tempo des Plots ist gleichbleibend hoch, eine Offenbarung jagt die nächste, Kämpfe, Verrat und Intrigen begleiten unsere Figuren, so dass man die Seiten kaum schnell genug umblättern kann, um nur ja zu erfahren, wie es weiter geht. Ein Auftakt ist gemacht, ein Handlungsbogen in sich logisch und packend abgeschlossen – wie aber wird der Autor auf diesen Auftakt noch etwas drauf setzten können? Warten wir ungeduldig auf den zweiten Teil der Trilogie.

Robert Jackson Bennett: Der Schlüssel der Magie 01: Die Diebin.
Blanvalet, Oktober 2020.
608 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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