Im hohen Norden Schwedens regnet es seit vielen Tagen ununterbrochen. Die Staubecken sind völlig überlastet und ohne dass die Bevölkerung vorbereitet war, kommt es zu dem unausweichlichen Unglück. Ein Staudamm bricht und sein Wasser fließt ungehindert auf die Siedlungen zu. Und das genau in dem Moment, als Hubschrauberpilot Vincent zu seinem letzten Flug ansetzt, dem Flug, den er an einer Felsklippe beenden möchte. Genau in dem Moment, als seine Exfrau auf den Hubschrauber zustolpert, von Rachegedanken getrieben. Und so passiert es, dass die beiden plötzlich gemeinsam vor dem Unglück fliehen müssen. Wenige Kilometer weiter bangt auch ihre schwangere Tochter um ihr Leben, während sie einen Schornstein fest umklammert hält, um nicht weggespült zu werden.
In Schlaglichtern führt Mikael Niemi durch den Roman. Wenige Seiten bleibt er jeweils bei den jeweiligen Protagonisten des Kapitels, die weit mehr umfassen als die drei in der Einleitung genannten Personen. Zu Beginn ist es daher schwierig, sich in die Geschichten einzufinden. Man muss immer wieder aufs Neue überlegen, in welcher Situation man die Figur zuletzt allein gelassen hat. Und nicht jeder von ihnen wird durchgängig begleitet. Hinzu kommt, dass alle Figuren sehr auf Abstand bleiben, das liegt nicht nur an der Anordnung der Kapitel, sondern wird von Niemi sehr bewusst eingesetzt. Das sollte man im Auge haben, wenn man dieses Buch kaufen möchte. Das Lesen einer Leseprobe eignet sich hier sehr gut zur Kaufentscheidung, denn dieses Muster zieht sich von der ersten bis zur letzten Seite durch das Buch.
Spannung ist bei „Flutwelle“ ständig vorhanden. Kaum eins der kurzen Kapitel tropft nicht vor Spannung. Die Menschen befinden sich in einer Extremsituation und handeln entsprechend, nicht immer überlegt und auch nicht immer menschlich oder vernünftig. Aber genau das macht den Roman interessant. Er ist Lesefutter für all jene, die mit klassischen Thrillern Nichts anfangen können, aber doch gerne nervenaufreibende Literatur haben möchten, die noch dazu recht gut geschrieben ist. An dieser Stelle lässt sich aufgrund der Spannung manchmal auch über die Distanz zu den Figuren hinwegsehen. Man möchte trotzdem gerne wissen, wer überlebt und wie.
Im Großen und Ganzen ein guter Roman, interessant aufgemacht und stets spannend.
Mikael Niemi: Die Flutwelle.
btb, April 2014.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.