Endlich sturmfrei! Als die Eltern des 17-jährigen Sunny übers Wochenende wegfahren, wollen er und seine Freundin Laura endlich Sex haben. Dazu kommt es aber nicht, denn kaum haben sie ein paar Klamotten abgelegt, klopft die Polizei an der Scheibe und verhaftet Sunny! Laura kann es kaum glauben: Sunny soll in Berlin einen Mann in der U-Bahn zusammengeschlagen haben und dafür vor Gericht. Dabei wohnen sie doch in Hamburg! Laura beginnt zu zweifeln. Ist Sunny doch nicht der Musterschüler, Sportheld und Schulsprecher, der er zu sein vorgibt?
„Sunny war gestern“ beschäftigt sich jugendgerecht für eine Zielgruppe ab etwa 14 Jahren mit aktuellen Themen. Es geht weniger darum, ob es stärkere Überwachung von Bahnhöfen und Ähnlichem geben soll oder stärkere Gesetze gegen derartige Gewalt. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Frage, welche Faktoren der Sozialisation die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit bedingen. Die Geschichte um Laura, Sunny und dessen Zwillingsbruder Yasir setzt sich damit auseinander, was passiert, wenn man Zwillingsbrüder in jungem Alter trennt und unterschiedlich groß werden lässt. Sunny, der eigentlich Soner heißt, wächst bei seiner Mutter und deren neuem wohlhabendem Mann auf. Es mangelt ihm an nichts, sogar einen privaten Tennislehrer hat er, ein teures Fahrrad – die Welt steht ihm offen. Na gut, er muss demnächst das gut laufende Unternehmen des Stiefvaters übernehmen, aber es gibt wirklich Schlimmeres! Yasir hingegen bleibt nach der Trennung der Eltern beim Vater, der nicht mehr recht auf die Beine kommt. Geld ist stets knapp, Wünsche bekommt Yasir fast nie erfüllt. Sein Leben ist geprägt von Frustration und Ablehnung.
Dem Autorenteam gelingt es gut, sich den Themen zu nähern. Oft verlieren sich die beiden allerdings auch in Klischees. Yasir spricht außerdem, wie manche junge Ausländer in Berlin es wirklich tun. Umgangssprache und weggelassene Verben inklusive. Daran muss man sich erstmal gewöhnen, es passt aber in den Grundtenor des Romans! Jugendlichen sollte diese „Sprachbarriere“ keine Probleme bereiten.
Dass das Geschehen aus Lauras Perspektive beschrieben wird, stellt sich als gut heraus. Sie erlebt alles mit leichter Distanz, ist aber voreingenommen, was Sunny angeht. Sie selbst kommt auch aus gut behüteten Verhältnissen, die allerdings weniger wohlhabend sind als Sunnys. Deswegen fühlt sie sich manchmal schlecht, kommt aber im Großen und Ganzen gut mit der Situation klar. Es wird schnell deutlich, dass auch in ihrer Familie einst ein Unglück geschehen ist. Ihre nur wenige Jahre ältere Schwester starb bereits im Kindesalter und schwebt seitdem wie ein dunkler Schatten über der Familie. An dieser Stelle hätte die Figur noch weiter ausgearbeitet werden können. Da es sich in den Buch aber eher um die Zwillinge dreht, wird Lauras Geschichte zu einer Art Rahmen, in dem sich das übrige Geschehen bewegen kann.
Nette Lektüre, nicht überragend, aber durchaus empfehlenswert!
Edgar Rai & Cem Gülay: Sunny war gestern.
dtv, April 2014.
300 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.