Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?

Die deutsche Performancekünstlerin und Schriftstellerin Martina Hefter (Jahrgang 1965) lebt und arbeitet in Leipzig. Sie schreibt Prosa und Lyrik. In diesem Jahr wurde sie zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse für ihren Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ mit dem Deutschen Buchpreis 2024 ausgezeichnet. Klett-Cotta veröffentlichte das Buch am 13. Juli 2024.

Jupiter und Juno, zwei Gottheiten in Leipzig

In „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ erzählt Martina Hefter die Geschichte von Jupiter und Juno, einem mittelalten Paar, das sie nach römischen Gottheiten benennt.

Jupiter ist Schriftsteller und leidet an Multipler Sklerose, Juno ist Tänzerin bzw. Performerin und leidet unter nächtlicher Schlaflosigkeit. Sie pflegt ihren Mann. Da Juno nachts wach ist, beginnt sie, im Internet mit Love-Scammern zu chatten. Love-Scammer sind i.d.R. junge Männer, die irgendwo auf der Welt mit falschen Profilen versuchen, ältere alleinstehende Frauen anzuschreiben, mit dem Ziel, ihnen ihr Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Betrugsmasche ist kriminell und die Täter machen oft fette Beute. Ihre Opfer schämen sich und sehen häufig von einer Anzeige ab.

Bei Juno sind die Love-Scammer allerdings an die Falsche geraten. Juno lügt einfach zurück. Bis ihre Gegenüber das bemerken, hat Juno ihren Spaß. Dann trifft sie auf Owen_Wilson223. Hinter diesem gefakten Profil verbirgt sich Benu aus Nigeria. Und auch als Juno Benu entlarvt, geht der Chat mit ihm weiter. Und es entwickelt sich eine Beziehung zwischen ihnen. Juno lügt immer noch, aber es fließen auch immer mehr Wahrheiten mit ein. Auf beiden Seiten. Juno erzählt Jupiter nichts von den Love-Scammern und nichts von Benu. Sie bereitet ihre Performances vor, versorgt Jupiter und chattet nachts mit Benu. Bis er sein Profil löscht und Juno wieder schlafen kann.

Zwischen Mythologie, Sternenhimmel und Melancholie

In Martina Hefters autofiktionalen Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ fließen mythologische Elemente ein, wie z.B. die Namensgebung ihrer Figuren. Der Sternenhimmel und auch der Endzeit-Film „Melancholia“ von Lars von Trier aus dem Jahr 2011 spielen eine Rolle. Die Grundstimmung im Roman ist eher düster. Hefter beschreibt die ärmlichen Verhältnisse in einem Künstlerhaushalt, in dem oft das Geld fehlt und der abhängig ist von der finanziellen Unterstützung durch staatliche Fördermittel für Kunst und Kultur. Die Krankheit und die Pflege Jupiters verdunkeln zusätzlich das Leben des Paares. Einzig im Tanz, in der Performance findet Juno Ausgleich und Lebensfreude. Und in den Chats mit den Love-Scammern. So schreibt Hefter zu Beginn des Romans an einer Stelle: „In den Chats war sie womöglich die echte Juno.“ (S. 15)

Wahrheit oder Lüge, wen interessiert es?

Ihr Spiel mit den Love-Scammern wird ernst, als sie sich auf den Chat mit Benu einlässt. Und das ist dann das Interessante an Martina Hefters Geschichte. Warum erfüllen Betrüger im Internet das Bedürfnis von Frauen nach Liebe, Gefühlen und Verständnis? Und wie gelingt das auch bei Juno, die ihren Partner Jupiter aufrichtig liebt? Offenbar gibt es eine Sehnsucht von Menschen nach Nähe und Angenommen-Sein, die die Menschen im realen Leben nicht erfüllen (können). Um diese Sehnsucht kreist der Roman. Und Hefter hat die Sprechblasen-Sprache (inkl. Emojis) von Social Media wunderbar integriert. Sie schafft damit eine Verbindung zwischen analoger und digitaler Welt, die sich spannend und zugleich bitter liest. So erscheint Junos Spiel mit Wahrheit und Lüge im Chat als Ersatz für fehlende Freiheit in der Wirklichkeit.

Ein gefährlicher Sog

Das Spiel entwickelt einen gefährlichen Sog. Hefters innovative Form des Schreibens bildet diesen Sog auf geniale Weise ab. Da es sich um einen autofiktionalen Text handelt, stellt sich mir als Lesende aber auch die Frage, wie viel von der Erzählung im realen Leben von Martina Hefter steckt? Ein paar Antworten darauf gibt sie in ihrer Danksagung am Ende des Buches und die sind nun wirklich bedenkenswert. Das gilt insbesondere für den Dank an ihren Mann Jan und den allerletzten Abschnitt. Was hier fehlt, ist ein eindeutiger und ehrlicher Warnhinweis: zum Nachmachen nicht geeignet, zum Lesen aber schon!

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Klett-Cotta, 13. Juli 2024.
224 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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