Vor acht Jahren hat Martin Walser seinen Roman „Ein liebender Mann“ veröffentlicht und damit mit fiktiven Briefen von Goethe an Ulrike die Geschichte einer Liebe erzählt. Das Gegenstück ist Walsers neuer Roman „Ein sterbender Mann“. – Eine Abhandlung mit dem Tod, wieder mit Briefen.
Es wirkt so, als würde der schreibende Mann Walser mit 88 Jahren sein Schriftsteller-Leben aufräumen. Seine Tagebücher bis 1981 hat er in vier Bänden veröffentlicht und auch die Bücher, die sich mit deutscher Schuld auseinandersetzen. Wie „Unser Auschwitz“.
Jetzt hält der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Rückschau auf ein Leben und Träume, verwebt das in eine Geschichte über Liebe und Verrat. Aber der intellektuelle Erzähler, der Walser immer war, berührt mit dem Roman erstaunlich wenig. Auch seine fantasievolle Sprache ist in dem Buch über Suizid gestorben.
Sein Held ist Theo Schadt. Schadt, der von seinem einzigen Freund Carlos Kroll (man denkt an den Hochstapler Felix Krull) übers Ohr gehauen wurde und jeden Lebensmut verloren hat. Der geschädigte Schadt Er meldet sich in einem Suizid-Forum an, schreibt Briefe und Emails, verliebt sich in eine Tangotänzerin.
Altwerden macht keinen Spaß, wenn man Martin Walsers Buch liest. „Das Alter ist eine Niederlage, sonst nichts“ oder „Das Alter ist eine Wüste. Darin eine Oase, heißt Tod“, liest man in den pessimistischen Gedankenspielen von Theo.
In seinem Alter sei ein Wechsel vom Leben zum Tod vorstellbar, hat Martin Walser gesagt, aber nach dem Tod von Günter Grass im vergangenen Jahr auch betont: „Man kann sich nur mit dem Alt-Sein auseinandersetzen, nicht mit dem Sterben.“
Theo überlebt den Balanceakt zwischen Leben und Tod, einen Selbstmord gibt es trotzdem in dem Roman, dem in den existenziellen Momenten der Figuren Tiefe fehlt. Und die lose Briefform passt zu dem Kammerspiel des Todes weniger als zu Walsers „Liebendem Mann“.
Martin Walser: Ein sterbender Mann.
Rowohlt, Januar 2016.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.