Martin Suter schätze ich seit „Small World“ als Autor guter Geschichten. In seinem aktuellen Buch wagt er sich mit der Romanbiografie von Bastian Schweinsteiger auf neues Terrain. Von letzterem wusste ich bis vor kurzem gerade mal, dass es ihn gibt, irgendwas mit Fußball und ich hätte ihn weder optisch noch faktisch von zum Beispiel Stefan Effenberg – auch ein Fußballer mit langem Namen – unterscheiden können. Die große Frage ist, ob es dem Autor gelingt, mir einen Menschen nahezubringen oder wenigstens zu erklären, dessen Leben, obwohl wir uns im gleichen Land befinden, mit meinem augenscheinlich nichts gemeinsam hat.
Um es kurz zu machen: Es ist gelungen – sowohl das Nahebringen als auch das Erklären. Aber so richtig zufrieden bin ich nicht.
Gleich zu Beginn stellt sich ein Gefühl von Vertrautheit ein. Ich lese von Kindheitserlebnissen, Familienunternehmungen, von kleinen Ängsten und großen Freuden und von behütetem Aufwachsen. Die Eltern erkennen das sportliche Talent und geben ihm Raum.
Doch fast naht- und vor allem mühelos gelingt Bastian Schweinsteiger der weitere Aufstieg bis in den Profikader von Bayern München. Zwischendrin gibt es ein bisschen Privatleben – erster Kuss, erste Freundin, erstes Auto; ab und zu auch ein paar Interna aus dem Vereinsleben, die man so vielleicht noch nicht kannte. Schon bald stellen sich erste Erfolge ein, die schnell zur Gewohnheit werden. Alles ergibt sich wie im Selbstlauf.
Selbst Zoff mit einem Trainer, Verletzungspech oder Querelen mit der Presse stellen nicht wirklich eine Herausforderung dar, das plätschert so dahin. Ein Leben ohne Ecken und Kanten, Probleme lösen sich immer irgendwie in Wohlgefallen auf. Konflikte bleiben auf der Ebene von ein bisschen Ärger. Das Fußballerleben von Bastian Schweinsteiger ist eine Endlosschleife aus Auf und Ab und wenig Aufregung. Es gab kaum eine Stelle, wo ich hätte mitfiebern können. Und ich hätte gekonnt, weil ich von Fußball wenig weiß.
Ich erlebe einen Fußballhelden in einer watteweichen Promiwolke. Die einzigen Zeitbezüge sind Hochzeit, Scheidung und Tod von Lady Diana und 9/11. Die großen Stürme der letzten Jahre werden nicht mal als laues Lüftchen wahrgenommen, hinter das Millionenpolster konnte weder die Bankenkrise von 2008 noch die Flüchtlingskrise von 2015 dringen. Klimakrise? Nicht relevant. Mich verwundert die langweilige Banalität eines Lebens im Luxus, welches sich in immer gleichen Ritualen erschöpft. Ich frage mich, ob es da nicht mehr gegeben hätte. Ein bisschen mehr Roman in der Biografie.
Sprachlich wenig anspruchsvoll (zielgruppenorientiert?) ist das Buch ein Loblied auf einen, der keinen Grund sieht, sich in Frage zu stellen oder zu zweifeln. Ich glaube, entweder dem Autor oder dem Helden oder gar beiden hat es an Mut gefehlt, Konflikte zu zeigen.
Auf der Habenseite steht immerhin, dass ich Bastian Schweinsteiger jetzt zweifelsfrei auf Fotos identifizieren kann. Mein Trost ist die Reihe von guten Suter-Büchern im Regal. Ich sollte mal wieder „Elefant“ lesen.
Martin Suter: Einer von euch: Bastian Schweinsteiger.
Diogenes, Januar 2022.
384 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.