Weihnachten in Langevik – das Haus ist voll bei Kriminalinspektorin Karen Eiken Hornby. Fast ein bisschen zu voll für ihren Geschmack. Deshalb ist sie nicht allzu traurig, dass sie ihr Chef – obwohl sie nach dem „Showdown“ ihres letzten Falles noch krankgeschrieben ist – wegen eines Mordfalls auf die Insel Noorö, ganz im Norden von Doggerland, abkommandiert. Viele Kollegen leiden unter einer grassierenden Grippe, die anderen sind im Weihnachtsurlaub, es gibt keine Alternative. Gemeinsam mit dem Gerichtsmediziner und Sören Larsen von der Spurensicherung macht sie sich auf den Weg.
Der pensionierte Hochschullehrer Fredrik Stuub ist bei einem Sturz in eine mit Wasser gefüllte Kiesgrube ums Leben gekommen. Das heißt, eigentlich ist er kurz davor auf einem Felsvorsprung hängengeblieben, sonst wäre er vielleicht auf Nimmerwiedersehen in der Tiefe verschwunden. Schnell ist klar, dass er nicht einfach gestolpert und gefallen ist, sondern dass er bewusstlos geschlagen und hineingeworfen wurde. Wer könnte diesem alten Mann nach dem Leben getrachtet haben? Es gibt kaum Spuren und schon gar kein Motiv. Doch Fredrik Stuubs Wohnung wurde durchwühlt. Wer hat was gesucht? Hat Fredriks Enkel Gabriel etwas damit zu tun, der gerne reich wäre, ohne etwas dafür zu tun, oder haben die Besitzer der örtlichen Whiskybrennerei ihre Hand im Spiel?
Karen kommt, unterstützt von der örtlichen Polizei, nur in winzigen Schritten voran. Dann ruft die liebe Verwandtschaft väterlicherseits, die auf Noorö lebt. Karen kommt um einen Besuch nicht herum und entdeckt, dass ihr Cousin Odd Mitglied einer berüchtigten Motorrad-Gang ist. Sie kann nicht ausschließen, dass er in kriminelle Machenschaften verstrickt ist. Vielleicht sogar in einen Mord?
Karen ist abgelenkt und misst einem Anruf ihrer Freundin Aylin keine große Bedeutung zu. Bis sie ein Hilferuf aus der Heimat erreicht.
Der zweite Teil von Maria Adolfssons Doggerland-Trilogie schließt in seiner Qualität nahtlos an den ersten, „Doggerland 01: Fehltritt“, an. Die fiktive Inselgruppe gewinnt wie das bereits vertraute Personal noch mehr an Profil und Tiefe. Karen beginnt sich zu öffnen und ihre Vergangenheit zu verarbeiten, auch wenn es noch ein weiter Weg für sie ist. Neue Gefährten treten in ihr Leben, die sie unterstützen und ihr – auch wenn sie manchmal nerven – zur Seite stehen.
Die Krimihandlung kommt langsam und ruhig in Fahrt. Dass Polizeiarbeit aus der Suche nach winzigen Details und der intelligenten und manchmal auch intuitiven Kombination der Erkenntnisse besteht, wurde schon im ersten Doggerlandfall deutlich. Dabei wird klar, was jeder sowieso schon weiß: Polizisten sind keine Superhelden, sondern Menschen, die zweifeln, hadern, mal danebenliegen und in Gefahr geraten. Und das Privatleben lässt sich auch im Beruf nicht ausblenden. Doch langweilig ist das keinesfalls. Auch in „Tiefer Fall“ zieht die Autorin ohne Gnade nach und nach die Spannungsschraube an.
„Doggerland: Tiefer Fall“ ist ein sehr „nordischer“ Krimi – ruhig, abgründig, fast ein wenig depressiv, aber auch mit einem Funken Hoffnung auf ein besseres Leben. Wer diese Art Krimi mag, ist mit „Tiefer Fall“ sehr gut bedient. Ich freue mich jedenfalls schon auf den abschließenden dritten Teil.
Maria Adolfsson: Doggerland 02: Tiefer Fall.
List, Januar 2020.
416 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.
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