Manuela Obermeier: Verletzung

verToni Stieglitz hatte Angst. Ach was Angst, Panik! Sie war vor ihm geflohen, hatte versucht ihre Spuren zu verwischen, aber er würde sie finden,  würde ihr nie verzeihen und was das hieß, wusste sie. In ihrem Magen ballte sich ein Klumpen, an dem sie zu ersticken drohte. Alpträume raubten ihr den Schlaf. Sie machte endlose Umwege zu ihrem neuen Zimmer, um seiner Verfolgung zu entgehen, sie versuchte sich mit Alkohol vor dem Denken zu drücken, aber die Panik verließ sie nicht.
Sie könnte ihn anzeigen, aber wer würde ihr denn glauben, er war schließlich der beliebte, charmante und erfolgreiche Strahlemann Mike, der Kollege, der Kriminalkommissar.
Den Kollegen die heile Welt vorzuspielen, war anstrengend. Und da waren noch die anderen Baustellen in ihrem Leben. Die unangenehme Kollegin, die bei allen gut ankam; die Kollegen, die auf Tonis lockere und direkte Art allergisch reagierten; der Chef, der lange hinter ihr stand, und der sich plötzlich gegen sie wandte.
Und dann dieser Fall, der Mord an einer aufregenden Frau und kurz darauf ein zweiter Mord, das Opfer ebenfalls eine Frau. Der Anfang einer Serie, davon war Toni überzeugt. Die Ermittlungen waren zäh, nur Toni glaubte den Täter zu kennen und das konnte tödlich enden.
„Verletzung“ ist der erste Band einer Serie von Manuela Obermeier, selbst als  Polizeihauptkommissarin tätig. Sie bringt Insiderwissen über Polizeiarbeit mit und schöpft aus der täglichen Erfahrung. Ihre realistische Schilderung zieht einen in Bann. Das Buch fesselt von der ersten Seite an. Dabei ist das Geschehen rund um Toni Stieglitz mindestens genauso spannend wie die Mordserie. Die Ängste und das Verhalten der Hauptkommissarin sind zwar oft unverständlich, aber gerade das entspricht schließlich der Realität. Dass Menschen nicht so handeln, wie die Vernunft es verlangt, sondern sich fürchten vor dem ‚richtigen‘ Schritt. Und dass sie trotz aller Schwierigkeiten immer noch in der Lage sind, ihren Pflichten nachzukommen bis kurz vor dem Zusammenbruch. Dass sie hin und her gerissen sind zwischen ihren unterschiedlichen Gefühlen.
Wir haben hier einen Kriminalroman, der spannend und sehr gut geschrieben ist. Die Autorin  fängt den Leser gleich am Anfang ein und lässt ihn nicht mehr los. Die Hauptprotagonistin in all ihren unterschiedlichen Facetten wird uns nahegebracht und wir bangen und fühlen mit ihr. Schade fand ich  nur, dass der eigentliche Fall etwas zu kurz kam und der Täter zu schnell klar war. Aber da es das erste Buch der Toni Stieglitz Serie ist, störte die etwas breitere Schilderung ihrer Welt und ihrer Probleme nicht. Dieser erste Band macht Appetit weitere spannende Romane rund um Toni Stieglitz und der Autorin Manuela Obermeier.

Manuela Obermeier: Verletzung.
Ullstein, Februar 2016.
448 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Eva Encke.

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