Isra als Nachtalb ist auf die Träume von Menschen angewiesen. Tagsüber kellnert sie im Varieté und nachts schleicht sie sich in fremde Schlafzimmer und stiehlt Lichtträume. Im Gegenzug hinterlässt sie den Träumern ihren ganz persönlichen Albtraum.
Vor einigen Jahren noch war Isra in der Traumforschung tätig, seit einer Weile geht ihr Leben bergab: ein zu Tode geängstigter Stammträumer, ein verbotenerweise geschluckter Klartraum und die Suche nach Wahrheit hinter den Lügen.
Ein Buch über Albträume, das glücklicherweise selbst keiner ist
Beim Lesen der ersten Seiten habe ich mich gefragt, ob es wirklich eine gute Idee ist, dieses Buch vor dem Einschlafen zu lesen. Nicht weil es anstrengend war, der Schreibstil hat mir in seiner Präzision und Anschaulichkeit sehr gut gefallen, sondern weil es um Albträume ging. Um Alben, die nachts bei schlafenden Menschen einbrechen – das hat mich etwas beunruhigt, aber glücklicherweise nicht abgehalten, denn ab der ersten Seite hat mich die Geschichte festgehalten. Die Mischung von Bekannten und Unbekanntem – Träume und wie sie durch Alben entstehen – zieht sehr sanft in die Handlung, weil man sich nicht auf eine komplett neue Welt einstellen muss.
Anfangs irritiert haben mich die sehr kurzen Kapitel, gerade eingelesen und schon wieder vorbei. Allerdings ergeben sie durchaus Sinn, da die Geschichte schon fast multimedial erzählt wird, da zwischen den Kapiteln auch Ausschnitte aus Textnachrichten, Podcasts oder Newslettern geteilt werden. Dadurch wird die Geschichte noch einmal auf eine andere Ebene gehoben, weil die Charaktere selbst weniger erklären müssen und trotzdem alles verständlich ist. Außerdem bringt es noch weitere Perspektiven ein, ohne sie in den Vordergrund drängen zu wollen.
Generell mochte ich die Unterschwelligkeit einiger Themen oder Handlungen. Die Liebesgeschichte war beispielsweise da und schön, aber nicht vordergründig. Einige Kapitelenden waren ähnlich gestaltet, was mich sehr gefreut hat. Meiner Meinung nach ist es eine Kunst, etwas zu erzählen, ohne es konkret aufzuschreiben. Manchmal genügt eine Handlung ohne Worte und das ist der Autorin hier auf jeden Fall gelungen.
Noch mehr wünschen – vielleicht in einem zweiten Band? – würde ich mir von der Welt. Interessanterweise forschen die Charaktere selbst an Träumen und allem, was dazugehört. Einiges würde ich weiterführend gern noch wissen und gemeinsam mit den Charakteren herausfinden, beispielsweise mit Marek seine Klarträume erkunden.
Das Ende war für mich schlüssig, aber schon fast zu einfach. Ich würde mir einfach noch mehr wünschen, weil ich finde, das Isra noch nicht komplett auserzählt wurde.
Empfehlen möchte ich „Nachtlügen“ allen, die sich für Träume interessieren. Die wenigsten Charaktere würde ich wirklich ins Herz schließen wollen, aber sie alle verfolgen ihre eigene verständliche Geschichte. Den Plot mochte ich ebenfalls gern, aber zu viel Action sollte nicht erwartet werden. Einen zweiten Band würde ich auf jeden Fall lesen.
Lisanne Surborg: Nachtlügen.
Klett-Cotta, März 2025.
Taschenbuch, 17,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sanya Lehmann.