Elloren Gardner ist gerade einmal drei Jahre alt, als ihr Onkel, bei dem sie und ihre Brüder aufwachsen, sie alleine mit in den Wald nimmt. Auf einer einsamen Lichtung drückt er ihr einen Holzstab in die Hand, stellt eine Kerze auf, die sie anvisieren soll, und dann darf sie einige merkwürdige Wörter wiederholen. Das nächste, an das sie sich erinnert, ist die Flucht mit ihrem Onkel vor dem den Wald verzehrenden Feuer. Ihr Onkel bläut ihr ein, nur ja niemanden von dem Vorfall zu erzählen.
Jahre später, sie ist 17, kommt ihre Tante ins einsam gelegene Dorf. Sie, die einzige Frau im hohen Rat, will ihre Nichte verwinden (vermählen) – möglichst mit einem der jungen, aufstrebenden Magier des Ratnachwuchses. Einst, drei Generationen ist es her, hat Ellorens Großmutter, die schwarze Hexe Carnissa den Reichskrieg mit ihren sagenumwobenen Kräften für die Gardnerier entscheiden – jetzt soll ihre Enkelin, zur Zementierung der Macht des Rates, beitragen. Obwohl sie ihrer Großmutter äußerlich gleicht, hat sie ein Manko – sie hat – offiziell zumindest – keine magischen Fähigkeiten.
Um der Intrige ihrer Tante zu entfliehen, sorgt ihr Onkel dafür, dass sie zusammen mit ihren Brüdern an der Universität Apothekerin studieren kann. Doch in Verpax lernt sie nicht nur Kräuter und Gifte benennen, sie stößt auch auf Verfolgung, Sklaverei und Unterdrückung alles Nicht-Gardnerischen – etwas, das sie letztlich nicht akzeptieren will, nicht akzeptieren kann …
Ein All-Age Fantasy-Roman erwartet uns – ein Roman, der erste Band eines Mehrteilers, dessen Folgeband mittlerweile bereit erschienen ist, der schon äußerlich als etwas Besonders herausgestellt wurde. Rundumfarbschnitt, dazu geprägter Deckel mit einer wunderbar neugierig machenden Titelbild-Illustration, das weckt das Interesse der Leserinnen und Leser.
Inhaltlich geht es schnell hinein ins Geschehen. Es dreht sich, geschickt in die Rahmenhandlung inkludiert, um Unterdrückung Anderer, um Rassismus, Vorurteile und wie man diese Wesenszüge überkommen kann.
Auch unsere Protagonistin Elloren muss sich erst von den allgemeinen Überzeugungen lösen, muss die Ungerechtigkeiten bei ihren Arbeitskollegen und Freunden miterleben, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie beginnt zu reflektieren, sich selbst, die herrschende Meinung zu hinterfragen. Diese Entwicklung hat die Verfasserin in der sehr einfühlsamen und guten Übersetzung von Freya Rall, sehr gut eingefangen. Durch ihren Aufenthalt an der Universität, mittels der dort gelehrten, akademischen Fähigkeiten selbst zu denken, ist sie erst in der Lage, sich von den allgemein anerkannten Vorstellungen zu lösen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
So ist der Plot auch ein Fanal für die Vorteile, die eine gute Bildung den Menschen vermitteln kann, ja soll, für die Freiheit, sich eine eigene Meinung bilden zu können. Hinzu kommen die sehr intensiv und sich entwickelnden Charaktere und eine interessante, archaische Fantasy-Welt. So bleibt mir als Fazit, dass der Foliant Verlag eine Reihe aufgelegt hat, die das Potenzial hat, Leser jeglichen Alters an die Seiten zu bannen, sie durchaus anspruchsvoll, aber auch spannend und kurzweilig zu unterhalten.
Laurie Forest: Black Witch – Prophezeiung
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Freya Rall
foliant Verlag, März 2024
597 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.