Karola Briese: Dragonerkind

1758 ist das Ende des Siebenjährigen Krieges noch nicht absehbar. Jeans Vater wird wieder gezwungen, erhöhte Steuern zu zahlen. Diese Geldforderung bedeutet für seine Familie mehr als nur Hungern und Frieren. Nachdem Jeans Lieblingsschwester einem fremden Haushalt übergeben wird, eine jüngere Schwester an Hunger und Kälte stirbt, muss nun auch er bei Fremden sein Brot verdienen. Das Schicksal führt den Zwölfjährigen zu dem jungen Dragoner Philippe de Belsace. Dieser kuriert gerade seine Verwundung aus dem letzten Kriegsgemetzel aus und braucht für seinen temperamentvollen Hengst einen neuen Burschen. Jean als erfahrener Bauernjunge kann sich schnell mit dem außergewöhnlich großen Fuchs des Herrn Leutnant anfreunden. Auch sonst geht es in Jeans Leben aufwärts. Er bekommt genug zu essen, warme Kleidung und lernt unter anderem Lesen und Schreiben. Während zwischen ihm und seinem Herrn eine Freundschaft entsteht, müssen sich beide tödlichen Gefahren und politischen Ränkespielen stellen.

Karola Briese hat in ihrem historischen Roman etwas Neues gewagt, in dem sie die Entwicklung einer ungewöhnlichen Freundschaft ins Zentrum rückt. Ihr Held ist ein halb verhungerter Bauernjunge. Sein Brotherr entpuppt sich als ein gelehrter Offizier, dessen humanistisches Gedankengut körperliche Züchtigung verbietet. Obwohl jeder aus seiner sozialen Schicht den einfachen, ungebildeten Menschen wie ein Tier behandelt, unterrichtet er dagegen Jean nach neuen Methoden. Nach dem Motto: Du hast Schreiben und Lesen gelernt, jetzt bist du auch in der Lage, alleine weiter zu lernen. Jeans Intelligenz ist geweckt, und er wird ein ehrgeiziger Schüler. Im rasanten Tempo versteht er viel mehr, als ihm seiner sozialen Rangordnung zusteht. Seine Fragen offenbaren viele Missstände. Zu Philippes Glück lernt Jean auch, im richtigen Moment zu schweigen.

Der Leser wird in eine menschenfeindliche Welt geschickt, in der es nur den Reichen und Mächtigen gut geht. Ausführlich beschreibt die Autorin, wie ein Kriegszug von Frankreich nach Deutschland ablaufen kann. Die verschiedenen Kämpfe sind spannend und zugleich lustig in Szene gesetzt. Gleichzeitig beschreibt Karola Briese die blutrünstige Brutalität der Soldaten gegenüber der Bevölkerung oder unterlegenen Gegnern nur beilläufig. Denn in ihrem Fokus steht die Arbeitsbeziehung zwischen dem Leutnant und seinem Burschen, die sich allmählich verändert und dabei eine Eigendynamik entwickelt, bis sie schließlich in eine vertrauensvolle Freundschaft auf Augenhöhe mündet.

Aus heutiger Sicht mag so eine Freundschaft verwundern. Ein Mann und ein Jugendlicher als kampferprobtes Team? Vor ein paar Hundert Jahren sah man in Kindern eher den kleinen Erwachsenen, die entsprechend behandelt und gefordert wurden.

Das offene Ende lässt an eine Fortsetzung der gefühlsbetonten und schön erzählten Geschichte denken.

Karola Briese: Dragonerkind.
A-Verlag, März 2018.
728 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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Ein Kommentar zu “Karola Briese: Dragonerkind

  1. Hallo,

    das klingt interessant! Ja, damals haben Kinder ja oft schon sehr früh richtig angepackt und auch gefährliche ‚Erwachsenenberufe‘ ausgeführt. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen… Obwohl, eigentlich muss man nur schauen, wie es in vielen Entwicklungsländern mit Kinderarbeit aussieht, ganz zu schweigen von Kindersoldaten. 🙁

    Ich habe diesen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt.

    LG,
    Mikka

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