Julia Malmros steht die Verfilmung ihrer Krimi-Reihe bevor. Nach der Pleite mit der „Millenium“-Fortsetzung ist das natürlich Balsam auf ihre Seele, aber die Serie ist einfach nur schlecht in ihren Augen und sie darf es noch nicht einmal sagen. Ihre Bücher seien zu realitätsfern, um 1:1 verfilmt zu werden, und deswegen ist ihre Ermittlerin jetzt so ganz anders, als sie sie angelegt hatte. Das trifft Julia tief und wutentbrannt macht sie sich auf die Suche nach neuen Themen. Ausgerechnet in der brandgefährlichen rechten Szene Schwedens wird sie fündig und bringt sich dabei in Gefahr. Außerdem hat sie Schwierigkeiten in ihrer Beziehung mit Kim Ribbling, an der außer Kims abweisender Art auch noch kratzt, dass sie so viele Jahre älter ist als er.
Kimm Ribbling möchte verstehen. Sich selbst, aber auch seine Vergangenheit. Durchgeknallt wie er nun mal ist, entführt er zu diesem Zweck seinen alten Therapeuten Martin Rudbeck in einen eigens dafür eingerichteten Folterkeller, um ihn – nun ja, zu befragen. Warum es ihm Befriedigung verschaffte, Kim zu quälen oder sich brutale Kinderpornos anzusehen. Kim will verstehen und merkt dabei gar nicht, auf welche Ebene er sich selbst herab begibt. Und nicht zu vergessen: Er hat seine Familie schon ermordet, BEVOR er in Therapie kam.
Astrid Helander hat im ersten Band der „Mitsommer-Trilogie“ als einzige das Massaker an ihrer Familie überlebt. Sie lebt jetzt bei einem Onkel und ist dort unglücklich. Und unglücklich in Kim verliebt. Sie zieht vorübergehend in sein Haus, in dessen Keller sich der Folterkeller befindet.
Diese hochbrisante Mischung in einem Haus explodiert natürlich irgendwann, Geheimnisse lassen sich unter einem Dach schlecht verbergen und herausgekommen ist ein durchaus rasanter Thriller.
Was mich jedoch gestört hat, ist, dass Lindqvist den im ersten Band noch interessanten Figurenbau nicht aufrecht halten konnte. Julia ist fast nur noch quengelig und selbstmitleidig und so, wie sie manchmal vorgeht, fragt man sich, wie sie ihre Zeit als Polizistin eigentlich überlebt hat. Kim hat sich von selbstbewusst zu arrogant gewandelt, was man auch daran merkt, dass er anfängt, Fehler zu machen. Und das selbst merkt. Und nichts daraus lernt. Astrid? Sie ist ein Teenager, mit allem, was zu einem Teenager dazugehört. Trotzdem war sie mir in diesem zweiten Band noch am sympathischsten.
Fazit: Spannender Pageturner, bei dem man sich am Ende allerdings fragt, warum man ihn gelesen hat und warum er so spannend war. Und ja, ich werde auch den dritten Band noch verschlingen. Ich muss doch wissen, wie das ganze Drama ausgeht.
John Ajvide Lindqvist: Signum.
Aus dem Schwedischen übersetzt von Ricarda Essrich.
dtv, Juli 2024.
496 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.