Jo Nesbø, weltberühmter norwegischer Krimiautor, hat sich im Rahmen Shakespeare-Projektes von Hogarth Press (1917 von Virginia und Leonard Woolf gegründet) an die Neuerzählung von Shakespeares Tragödie „Macbeth“ aus dem Jahre 1606 gemacht. Der Thriller erschien am 27. August 2018 im Penguin Verlag. Deutsch von André Mumot.
Darin entwirft Nesbø ein düsteres Bild um den „Königsmörder“ Macbeth, den er zum Inspector einer Polizei-Spezialeinheit, dem SWAT-Team, in einer heruntergekommenen, ehemaligen Industriestadt in Schottland macht. Drogen und Gewalt sind an der Tagesordnung, jahrzehntelang toleriert von dem korrupten Chief Commissioner Kenneth. Doch nun ist Duncan Polizeichef geworden, und er setzt sich für Recht und Gesetz ein. Zunächst kämpft Macbeth, der selbst einmal drogenabhängig war, diesen Kampf gegen die Norse Riders und Hecate, der grauen Eminenz des Drogenhandels, erfolgreich mit. Doch dann gerät sein Gerechtigkeitsempfinden auf die falsche Spur. Die Prophezeiung der drei Schwestern und der Ehrgeiz seiner Geliebten Lady, Besitzerin des Inverness-Casinos, bringen ihn dazu, Duncan zu ermorden und die Tat seinen Leibwächtern in die Schuhe zu schieben. Nun darf nichts und niemand mehr Macbeth aufhalten. Er will die absolute Macht über die Stadt. Macbeth nimmt wieder Brew, eine Droge, die extrem abhängig macht. Er geht einen Deal mit Hecate ein. Und Lady spornt ihn mit Unterstützung ihres Vertrauten Jack (Bonus), der ein mindestens doppeltes Spiel spielt, weiter an. Dazu lässt Macbeth seinen väterlichen Mentor Banquo und die Familie seines besten Freundes Duff töten. Er führt einen vernichtenden Schlag gegen die Norse Riders. Inzwischen formt sich der Widerstand gegen Macbeth, Duff, Fleance (Banquos Sohn), Malcolm (Deputy Chief Commissioner), Caithness (Duffs Geliebte und Kollegin) schmieden einen Plan, um Macbeth aufzuhalten.
Lady verliert sich in ihrer Geisteskrankheit und stirbt. Am Ende erhebt sich nicht der Wald von Birnam gegen Macbeth, aber die Prophezeiung erfüllt sich. Macbeths Gier nach Macht und Einfluss endet tragisch.
Jo Nesbø hat aus Shakespeares Tragödie einen spannenden Thriller gemacht. Er hat keinen neuen Harry Hole geschrieben, jedoch eine gelungene Adaption des alten Stoffes an heutige Lesegewohnheiten. Dabei gießt er Personen, Handlung und Plot in eine neue Form, ohne Shakespeares Elemente allzu arg zu verfremden. Im Gegenteil: Nesbø unterzieht Shakespeares Macbeth einem erfolgreichen Relaunch. Dabei verlegt er die Tragödie nicht in die Gegenwart, sondern lässt sie in den 1970er-Jahren spielen. Er beschreibt den Aufstieg Macbeths und seine Entwicklung zum bösen Machtmenschen in der Polizei einer Großstadt, die durch Gewalt, Korruption und Drogen beherrscht wird, in regnerischem Grau. Die Sonne scheint nur auf der anderen Seite der „Brücke“.
Allerdings geraten mir die von Nesbø beschriebenen Wandlungen von Macbeth und Lady zu den gierigen, machthungrigen Menschen, die in ihr Verderben rennen, nicht ganz überzeugend und eher abrupt. Ich als Lesende kann diese massiven Charakterveränderungen der Protagonisten in Nesbøs Geschichte nicht richtig nachvollziehen. Sie tauchen mir doch recht ansatzlos und plötzlich auf. Das scheint mir der einzige Haken in der Neuerzählung dieser scheinbar ewig gültigen Geschichte des Bösen im Menschen. Jo Nesbøs „Macbeth“ stürmt zu Recht die Bestsellerlisten.
Jo Nesbø: Macbeth: Blut wird mit Blut bezahlt.
Penguin Verlag, August 2018.
624 Seiten, Gebundenes Buch, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.