Jens Sparschuh: Nicht wirklich

Jens Sparschuh, ein 1955 geborener Autor aus Chemnitz, lässt in seinem Roman „Nicht wirklich“ einen Aushilfsprofessor in Philosophie über sein Leben nachdenken und darüber, aus wie vielen Irrtümern es bestanden hat. Die Frage „Was wäre, wenn …?“ lauert stets im Hintergrund. In einem anderen Leben hätte er zum Beispiel Claudia nicht kennengelernt, die ihn dann auch nicht hätte verlassen können.

Er begibt sich dabei auf die Spuren des vergessenen Philosophen Hans Vaihinger, einem Philosophen, der von 1852 bis 1933 gelebt hat und sich der „Philosophie des Als ob“ gewidmet hat. Und man spürt, dass Sparschuh selbst einen fachlichen Hintergrund hat. Er hat Philosophie und Logik in Leningrad studiert und später sogar in Berlin promoviert.

Es könnte dennoch durchaus Leser geben, denen derartige Gedanken-Plänkeleien zu realitätsfremd, zu verschroben, zu abseitig erscheinen. Aber auch die sollten an diesem mit leisem Humor geschriebenen Roman Gefallen finden.

Ausgehend von einer Klausur, die seine Studenten zum Abschluss des Semesters schreiben müssen, begibt sich der draußen auf dem Flur wartende Dozent immer tiefer in seine Vergangenheit.
​So erfahren wir, wie unser Held, Anton Lichtenau heißt er, wegen einer Kofferverwechslung zuerst die Unterwäsche seiner späteren zweiten Partnerin Isabell kennenlernt und erst dann sie selbst. Witzig sind auch die Passagen über ihre Arbeit als Lektorin von Groschenromanen und welche Mühe sie mit einem der Autoren hat. Das ist eine geschickte Spiegelung zur Gedankenschwere des Philosophen und gibt dem Roman eine amüsante Leichtigkeit.

Das Innenleben eines Uni

Nebenbei erfährt man viel über das Innenleben einer Universität. Lichtenau hat an seiner fiktiven Uni stets damit zu kämpfen, weitere Vertretungsstellen zu bekommen. Auch muss er sich ständig derjenigen erwehren, die die Philosophie als entbehrlich und verstaubt ansehen und sie am liebsten ganz abschaffen würden. Fächer wie Eventmanagement stehen viel höher im Kurs.

Wer in „Nicht wirklich“ einen spannungsgeladenen Roman erwartet, der von einem Höhepunkt zum nächsten rast, ist hier fehl am Platze. Es ist ein leises Büchlein, das auf ein Augenzwinkern setzt – zum Beispiel, wenn Sparschuh die Eigenheiten der Studenten beschreibt, mit denen er sich auseinanderzusetzen hat.

Jens Sparschuh: Nicht wirklich.
Kiwi, März 2023.
224 Seiten, gebundene Ausgabe, 22 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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