Hervé Le Corre: Durch die dunkelste Nacht

Commissaire Jourdan ist zutiefst frustriert von seinem Beruf. All die Bilder, die er täglich sehen muss, all die Toten, die immer wieder sein Leben berühren. Aber er will weitermachen, gerade jetzt, wo ein Frauenmörder auf immer ähnliche, äußerst brutale Weise mordet.

Luise wird von ihrem Ex-Freund verfolgt. Obwohl sie die Beziehung bereits vor langer Zeit beendet hat, hört er einfach nicht auf, ihr nachzustellen und sie zu bedrohen. Beendet hat sie die Beziehung damals schon wegen seiner Brutalität. Aber die Polizei nimmt sie nicht ernst, wie so oft. Bis er eines Tages zu weit geht und sich Jourdan einschaltet – nicht nur, weil Louise, die nach dem Tod ihre Eltern zunächst in Drogen versank, ihr Leben mit ihrem Sohn wieder in den Griff bekommt und ihn damit beeindruckt.

„Durch die dunkelste Nacht“ ist nicht nur der Titel des Buches, sondern es beschreibt auch perfekt seinen Inhalt. Gemeinsam mit den Protagonisten geht der Leser durch die tiefen Abgründe ihres Lebens.

Erzählt wird zwar in der 3. Person, aber immer wieder sehr stringent aus der Sicht der Protagonisten Jourdan, Louise und des Serienmörders. Verwendet werden dabei häufig extrem kurze Sätze, die das Innenleben der Personen widerspiegeln. Corre benutzt die Sprache wie eine Plattform des Ausdrucks, das bringt den Leser sehr dicht an das Gefühlsleben heran. Je bedrückender die Szenerie wird, je verwirrter der Protagonist, desto kürzer und prägnanter werden die Sätze. Als Jourdan in die Wohnung einer vom Vater ermordeten Familie kommt, zeigt mehr sein schlaglichtartiges Denken seine Verzweiflung als das, was er denkt.

Ähnlich ist es mit dem Täter, dessen eher (für diesen Roman) ausschweifenden Denksätze seinen narzisstischen Bezug auf sich selbst zeigen.

Bei Louise merkt man an der Länge und Komplexität ihres Denkens immer, wie entspannt oder unentspannt sie gerade ist.

Der Stil ist gewöhnungsbedürftig, es dauert etwas, bis man sich als Leser darauf eingelassen hat, dann ist es aber ziemlich gut. Vielleicht liegt es auch daran, dass man als Leser gar nicht so tief in die Köpfe eintauchen mag. Man teilt die intimsten Gedanken mit den Protagonisten und das ist nicht immer das, was man möchte. Denn die Welt, in der sie leben, alle drei, ist brutal und grausam. Keiner von ihnen ist ein Held, ihre Gedanken sind ebenso düster, wie es ihre Umgebung ist. Bei allen dreien. Dieser Realismus ist es, der den Reiz dieses Romans ausmacht.

Das Ende ist schockierend, passt aber zu diesem Roman, der Gut und Böse auf verwirrende Art gleichzeitig vermischt und trennt.

Hervé Le Corre: Durch die dunkelste Nacht
Aus dem Französischen übersetzt von Anne Thomas
Suhrkamp, 01/24
339 Seiten, Taschenbuch, 17 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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