Der Manesse-Verlag hat einen Klassiker aus dem Jahre 1880 neu übersetzen lassen: „Washington Square“ von Henry James. Themen sind menschliche Abgründe wie Lieblosigkeit, Selbstherrlichkeit, Tratschsucht, Rache oder die Gier nach Geld.
Die als reizlos und naiv, aber wohlhabend beschriebene Catherine findet einen Liebhaber, der sie heiraten möchte. Catherines Vater, ein angesehener Arzt, hält den Verehrer für einen üblen Mitgiftjäger und versucht mit allen Mitteln, die Ehe zu verhindern – unter anderem, indem er seine Tochter sogar enterbt.
„Washington Square“ ist ein vielschichtiger Roman von hoher psychologischer Glaubwürdigkeit, der vor allem die hässlichen menschlichen Wesensmerkmale zeigt. Im Grunde wirkt keine der Hauptfiguren sympathisch. Da gibt‘s den hartherzigen Vater, die wenig gewandte, mundfaule und letztlich genauso hartherzige Tochter, den arbeitsscheuen Mitgiftjäger und eine tratschsüchtige ein wenig vertrocknete Tante, die sich als Schicksalsgöttin betätigt.
Sicher, manches hat sich in den vergangenen 130 Jahren geändert. Eine Tochter wäre nicht mehr so hörig gegenüber ihrem Vater, wie es Cathrine besonders zu Beginn des Romans ist. Auch das Verhalten des Arztes selbst in seiner bedingungslosen Selbstherrlichkeit wirkt aus heutiger Sicht etwas antiquiert – aber im Grunde gelten auch heute noch viele der psychologischen Aussagen, die der Roman trifft, weswegen „Washington Square“ auch heute noch ein lesenswertes Stück Literatur bildet, das nicht nur für literaturgeschichtlich orientierte Leser einen Genuss bieten dürfte.
Übersetzerin ist Bettina Blumenberg, die auch ein Nachwort zur literaturgeschichtlichen Einordnung und Interpretation des Romans verfasst hat.
Henry James: Washington Square (1880).
Manesse, April 2014.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.