Die sechszehnjährige Deborah Blau wird nach einem Selbstmordversuch mit der Diagnose Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Krankheit ist für Deborah Flucht vor den hohen Erwartungen, die ihre Eltern in sie als die älteste Tochter setzen, Flucht vor der Rivalität mit ihrer jüngeren Schwester, Flucht vor den antisemitischen Anfeindungen, denen seitens ihrer Mitschülern ausgesetzt ist und die ihr das jährliche Sommerlager zur Hölle machen.
Das mystische Reich Yr, das Deborah in ihrer Phantasie erschafft, bietet ihr für kurze Phasen eine Pause vor der als unerträglich empfundenen Realität. Mit den Göttern Yrs taucht sie ein in eine heile und glückliche Traumwelt, fliegt mit Anterrabae, dessen Haare Feuer sind, über die weiten grünen Ebenen und lässt sich den Wind um die Nase wehen. Als auch diese strahlende Welt sich allmählich mit Terror, Raserei und unsäglichen Peinigungen füllt, kann Deborah ihren Ruf nach Hilfe nur in Form eines Selbstmordversuchs zum Ausdruck bringen.
Ihre Eltern sehen keinen anderen Weg, als ihre Tochter in einer psychiatrischen Klinik stationär aufnehmen zu lassen. Was sich für die Blaus wie die Aufgabe ihrer einst vielsprechenden Tochter anfühlt, stellt sich im Lauf der Zeit als Rettung des Mädchens heraus. In ihrer Ärztin Dr. Fried findet Deborah eine fähige und mutige Kämpferin, die das Mädchen in dem jahrelangen und verzweifelten Ringen begleitet, einen Weg zurück in die Welt und zurück zu ihrer Familie zu finden.
Hannah Green hat das Schicksal Deborahs selbst erlebt. Das gibt ihrem Roman über eine Heilung eine bestürzende Authentizität. Green schont den Leser nicht und schildert den Alltag in einer psychiatrischen Klinik in den fünfziger und sechziger Jahren ungeschönt in allen Einzelheiten. Die intensive Darstellung der sich selbst und andere verletzenden Patienten wirft den Leser in ein Wechselbad der Gefühle zwischen Mitleid und Abscheu. Ausführlich beschreibt Green die Wirkung von Insulintherapien und Elektroschocks oder dem Ruhigstellen in der Isolierstation, in der tobende Patienten in nasse Tücher eingewickelt werden und stundenlang bewegungslos ausharren müssen.
Aber es gibt auch schöne Szenen in der Klinik. Deborah wagt sich nach und nach heraus aus ihrer abgeschotteten Welt und knüpft Kontakte zu den anderen Patientinnen. Sie findet auf der Station Freundinnen, die ihr über viele Rückfälle und Phasen der Verzweiflung hinweghelfen. Neben der Arbeit mit ihrer Ärztin Dr. Fried sind es diese Freundschaften, die Deborah den Weg zurück in die Realität finden lassen.
Nicht nur die Protagonistin Deborah, sondern auch der Leser macht während der Lektüre dieses berührenden und aufwühlenden Romans so etwas wie eine Wandlung oder Heilung durch. Er verliert etwas von seiner Angst und seinem Ekel vor der Krankheit Schizophrenie. Da er mit Deborah in die fremde und faszinierende Welt ihrer Wahnvorstellungen eintaucht, kann er ein Verständnis für psychisch Kranke entwickeln, das er so vorher nicht aufbrachte. Denn auch die Insassen der psychiatrischen Klinik sind Menschen und in ihrem Wunsch, anderen nahe zu kommen sowie zu lieben und geliebt zu werden, genauso normal wie der Leser selbst.
Hannah Green: Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen (1964).
rororo, Juli 2000.
288 Seiten, Taschenbuch, 8,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.