Eine wirklich ungemein spannende und sehr ungewöhnliche Geschichte mit interessantem Plot und interessanten Figuren, das ist dieser Roman. Der darüber hinaus noch sachlich fundiert ist, denn die Verfasserin ist ebenso wie ihre Protagonistin Ornithologin, weiß daher, wovon sie erzählt.
Diese Protagonistin heißt Joanna. Sie kommt nach einer überstandenen schweren Krebsoperation in die abgelegene Hütte eines Vogelforschers, um dort für ihre Doktorarbeit Feldforschung zu betreiben. Joanna ist dabei sehr froh über die Einsamkeit, hat sie doch viel zu verarbeiten. Doch eines Tages taucht vor ihrer Unterkunft ein kleines Mädchen auf, das sich weigert, zu erzählen, woher es kommt und wer seine Eltern sind. Stattdessen behauptet Ursa, so nennt sich das Kind, sie sei ein Alien von einem anderen Planeten, auf die Erde geschickt, um die Menschen zu studieren. Immer, wenn Joanna versucht, die Polizei über Ursa zu informiere, läuft das Mädchen davon.
Also bleibt der jungen Frau, die Angst hat, das Mädchen könnte in lebensgefährliche Situationen geraten, wenig übrig, als dem Kind Obdach zu geben. So kommt sie in Kontakt mit ihrem zurückgezogen lebenden Nachbarn Gabe, der sich um seine schwerkranke Mutter kümmert und sich mit Eierverkauf etwas dazuverdient.
Im Laufe der Zeit entsteht eine tiefe Bindung zwischen Joanna und Ursa und auch Gabe kommt sie immer näher. Das Geheimnis, welches das Kind umgibt, bleibt lange im Verborgenen, bis sich die Situation zuspitzt und hochdramatische Ereignisse ihren Lauf nehmen.
GlendyVanderah erzählt diese Geschichte mit viel Gefühl und Empathie, hält die ganze Zeit die Spannung aufrecht und selbst die Passagen, in den sie Joannas Arbeit mit den Singvögeln, die Kontrolle der Nester, detailliert schildert, mindern nicht den Lesegenuss, bleiben interessant.
„Absolut realistisch“
Besonders gelungen ist der Autorin die Darstellung, die Gestaltung des Charakter von Ursa, dem Kind. Absolut realistisch – soweit das der Plot hergibt – , ohne Kitsch, ohne süßlich zu sein, ist sie ein authentisch beschriebenes Kind mit herrlich altklugen Kommentaren und Bemerkungen. Diese Figur ist einfach nur liebenswert. Doch auch die Figuren von Joanna und Gabe, den beiden Erwachsenen, die völlig unvorbereitet dieser extremen Situation ausgesetzt werden, hat die Autorin gut ausgearbeitet. Wenn sie mir auch ein wenig zu überfrachtet waren mit Problemen und Schicksalsschlägen.
Joanna, deren Mutter kurz zuvor starb und ihre gerade überstandene schwere Erkrankung. Gabe, der mit Depression und schwierigen Familienverhältnissen zu kämpfen hat. Doch die Begegnung mit Ursa, die mit messerscharfem Blick ihre Freunde beobachtet, hilft beiden über diese Probleme hinweg. Am Ende, nachdem sich die Handlung noch einmal voller Dramatik und Spannung zuspitzt, wird es dann doch etwas zu „happy“, aber das stört nicht, denn es passt perfekt als Abschluss dieser berührenden Geschichte.
Glendy Vanderah: Ein Nest voller Träume.
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Fischer.
S. Fischer, Dezember 2022.
398 Seiten, Klappenbroschur, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.