Gina Mayer: Der Kuckuck

Der Kuckuck ist ein Familienroman und eine einfühlsame Geschichte über Mutterschaft, die für viele Frauen über Generationen hinweg und selbst heute, nicht immer eine unbelastete, freie Entscheidung ist. In poetischen Worten erzählt Gina Mayer von drei ungleichen Freundinnen in einem winzigen Dorf im Jahre 1919. Im Riestal zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb werden Babette Rosch, Kind einer alteingesessenen Bauernfamilie, Rosl Böswanger, Spross der ärmsten Familie des Dorfes und Evelin Gruber, die Tochter des Gutsherren zu Freundinnen, die ihre Geheimnisse miteinander teilen und zusammen von der Zukunft träumen. Eine Zukunft, die für jede von ihnen ganz anders kommt, als erhofft, ihre Schicksale fest miteinander verwebt, auch wenn sie sich später aus den Augen verlieren und die schließlich sogar die Leben ihrer Angehörigen und Nachgeborenen stärker beeinflusst, als ihnen bewusst ist.

„Der Holzzaun war morsch, die Latten kippten hin und her, wie der Franz auf dem Heimweg vom Gasthof.“ S. 50

Die Autorin schreibt über das einfache Leben früherer Jahrzehnte und den Wunsch nach Zugehörigkeit eines jeden Menschen. Einfühlsam nähert sie sich der Frage: Was geht vor in Frauen, die ungewollt schwanger werden, die ihr Kind, aus welchem Grund auch immer, nicht behalten können, denen die Last der Verantwortung zu groß wird oder denen, die sich sehnlichst Kinder wünschen und keine bekommen können. Dabei ist ihre Sprache herrlich unkompliziert, was den Text gerade deshalb so poetisch macht. Die reiche Verwendung sprachlicher Stilmittel und anschaulicher Beschreibungen lassen den Leser nahezu über die Zeilen fliegen. Durch die eindringliche Schilderung ihrer Verwirrung und Ratlosigkeit ist man bereits ab Seite zwei ganz nah bei Ella, einer der Hauptfiguren und einem, jedoch nicht dem einzigen Findelkind in diesem Buch. Im Verlauf der vier Zeitebenen und durch die Vielzahl verschiedener Perspektiven verliert sich die Geschichte hin und wieder in Details, was ihre Aussagekraft jedoch nicht schwächt. In herzerwärmender Weise lotet sie die feinen Nuancen zwischen Nähe und Fremdheit aus und beweist, dass nicht alles laut sein muss, um Bedeutung zu haben.

Gina Mayer: Der Kuckuck.
Piper, Mai 2025
Gebundene Ausgabe, 416 Seiten, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Antje Lehnert.

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