Der US-amerikanische Schriftsteller George Saunders, geboren 1958, beweist mit seiner 2005 erschienenen politischen Satire „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ erneut sein literarisches Können. Das Werk, das nach der Trump-Wahl überraschend an Aktualität gewinnt, ist nun in einer Neuauflage erschienen – ergänzt durch ein aktuelles Nachwort des Autors.
Eine surreale Geschichte mit scharfsinniger Gesellschaftskritik
Das nur gut 100 Seiten umfassende Büchlein spielt in einem fiktiven Land namens Innen-Horner. Dieses Land ist so winzig, dass dort nur eine einzige Person Platz findet, während der Rest der Bevölkerung in der „Kurzzeitaufenthaltszone“ des umliegenden Landes Außen-Horner warten muss.
Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Innen-Horner plötzlich schrumpft und ein Teil des einzigen Bewohners über die Grenze ragt. Die Einwohner von Außen-Horner interpretieren dies als Invasion und eröffnen so die Bühne für den machthungrigen Phil. Dieser schwingt sich zum brutalen Diktator auf, quält die Bevölkerung Innen-Horners mit absurden Steuern und übt gnadenlose Willkür aus.
Sprachwitz und absurde Fantasie
George Saunders erschafft in dieser Erzählung eine höchst surreale Welt, die mit Sprachwitz und fantasievoll-absurden Einfällen glänzt. Ein Beispiel dafür ist Phils kurioses Gehirnproblem: Es rutscht ihm ständig von einer Ablage, was zu komischen Sprachaussetzern führt. Diese skurrilen Details machen die Satire ebenso unterhaltsam wie nachdenklich.
Zeitlose Themen: Macht, Autoritarismus und Demagogie
Die Themen der Erzählung könnten aktueller kaum sein: Machtmissbrauch, Autoritarismus und die Mechanismen der Demagogie stehen im Mittelpunkt. Saunders zeigt auf, wie leicht ein Volk dem sinnfreien, aber lautstarken Gerede eines Möchtegern-Herrschers verfällt – wenn dieser nur selbstbewusst genug auftritt.
Bemerkenswert ist, dass der über 20 Jahre alte Text nicht nur Parallelen zu Donald Trump aufweist. Auch ein tattriger, in die Jahre gekommener Präsident taucht auf, der unweigerlich an Joe Biden erinnert.
Illustrationen und Übersetzung
Die Neuauflage von „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ wird durch Illustrationen von Benjamin Gibson ergänzt, die der Erzählung eine zusätzliche visuelle Ebene verleihen. Besonders hervorzuheben ist die Arbeit des Übersetzers Frank Heibert, der Saunders’ sprachliche Raffinesse und Humor meisterhaft ins Deutsche überträgt.
Fazit: Eine Satire mit erschreckender Relevanz
Mit „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ gelingt George Saunders eine bissige und zugleich komische Satire, die zeitlose gesellschaftliche Mechanismen aufdeckt. Wer eine Mischung aus intelligenter Gesellschaftskritik, absurdem Humor und literarischem Sprachwitz sucht, wird in diesem Buch fündig.
George Saunders: Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
Luchterhand, Oktober 2024
144 Seiten, gebundene Ausgabe, 20 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.