Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten?

Wir leben in einem Thriller. Wem das noch nicht aufgefallen ist, der sollte sich vor Augen halten, dass ein Thriller immer in scheinbar geregelter Harmonie beginnt. Das gilt auch für die Klimakrise. Sie ist schwer fassbar, weil wir noch immer den Eindruck haben, normal weiterleben zu können. Gut, es gibt erste Anzeichen einer Katastrophe, doch sie werden ignoriert oder anderen Ursachen zugeschrieben. Und doch, das Eis schmilzt schneller, die Sommer werden immer trockener, die Stürme häufiger und heftiger. Es kommt der Punkt, an dem wir die Bedrohung nicht mehr verdrängen können und dann ist guter Rat teuer. Hier kommt Frank Schätzing ins Spiel: „Nun, wenn sie Thriller lieben, wissen Sie, was als Einziges gegen Bedrohungen hilft: sie zu verstehen.“ (S.16)

Dafür braucht es Wissen. Frank Schätzing hat mit seinem Buch einen Überblick über Fakten, Begriffe und Szenarien geschaffen. Er analysiert den aktuellen Stand, erklärt den Unterschied zwischen natürlichem und menschengemachten Klimawandel. Dazu reist er an verschiedene Orte der Erde, die symbolisch für Folgen der Erderwärmung stehen. Ich erfahre, was Kippelemente und Kipppunkte sind, wo sie sich befinden und wo Kipppunkte bereits überschritten wurden. Das bedeutet, dass ein System so sehr aus dem Gleichgewicht geraten ist, dass es nicht mehr in seinen ursprünglichen Zustand zurückfindet. Er beschreibt die einzelnen Kippelemente und ich erkenne, dass der Klimawandel sich nicht aufs Wetter beschränkt, sondern von vielen verschiedenen Faktoren vorangetrieben wird, die alle miteinander in Beziehung stehen

Ausgehend von der aktuellen Lage skizziert er den Worst Case, also das Szenario, welches auf Wir-machen-einfach-weiter-wie-bisher folgen könnte. Ganze Landstriche unbewohnbar, endlose Flüchtlingsströme, Kriege, Hunger, Artensterben – uns, die Menschen, eingeschlossen.  Auch wenn ich dieses Szenario des Weltklimarates IPCC so oder ähnlich schon gehört oder gelesen habe, bin ich nach dem geschilderten Katastrophenstakkato jetzt dankbar für jeden Strohhalm.

Frank Schätzing hat sogar einen Rettungsring für uns: Es gibt auch den Best Case, die Rettung der Welt. Voraussetzung dafür ist vorbildlicher Klimaschutz und ambitionierte Ziele. Und er hat aufgeschrieben, was man dafür tun muss. So ziemlich alle Bereiche des Lebens werden abgeklopft, es gibt praktische Tipps und Adressen. Das beginnt bei Einkauf und Energieverbrauch, setzt sich fort beim Reisen, bei der Geldanlage und lässt sich erweitern durch aktive oder finanzielle Beteiligung in einer der unzähligen Umweltorganisationen. Klimaschutz ist auch ein demokratischer Prozess, die Politiker werden nur dann die richtigen Weichen stellen, wenn genügend Leute das wollen.

Natürlich lässt sich ein so komplexes Thema wie die Bewältigung der Klimakrise nicht in einem Buch erschöpfend darstellen. Doch Frank Schätzing ist es gelungen, alle Bereiche ausreichend gründlich anzureißen, dass der Leser die Übersicht behält und doch immer den passenden Stichpunkt bekommt, um bei Bedarf selbstständig weiter zu recherchieren.

In lockerem Plauderton präsentiert er schwer verdauliche Kost, die davon zwar nicht leichter wird, aber durchschaubar und damit fühlt man sich nicht mehr so hilflos. Wir sind der Klimakrise nicht ausgeliefert, wir können etwas tun – jeder einzelne und alle gemeinsam.

Am Ende gibt es als Gegenentwurf zum Endzeit-Szenario am Anfang eine Utopie. Für seinen Blick in die Zukunft lässt Frank Schätzing mehrere zukunftsweisende Technologieprojekte zur Verwendbarkeit reifen und zeichnet damit eine volldigitalisierte und ressourcenschonende Welt, die lebensfreundlich ist und in der die drängendsten Probleme gelöst sind. Er zeigt: Ideen gibt es zuhauf, wir müssen nur endlich aufhören, uns gegenseitig niederzuschreien und anfangen, etwas zu tun.

Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten?
Kiepenheuer&Witsch, April 2021.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.

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