Ella Berman: Das Comeback

Grace lebte einen Traum – eigentlich. Mit 13 Jahren wurde die Britin auf dem Schulhof entdeckt und nach Los Angeles geholt. Ihre ganze Familie siedelte mit ihr nach Amerika, aber sie sieht sie trotzdem kaum. Denn ihre ersten Filme werden volle Erfolge, sie ist viel beschäftigt und hat jede Menge Freunde. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt ihrer Karriere entscheidet sie sich dafür, das alles hinter sich zu lassen. Ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen, zieht sie zu ihren Eltern nach Anaheim und lebt dort beinahe ein Jahr mehr oder weniger unerkannt. Dann entscheidet sie sich dafür, zurückzukehren, aber es soll niemals wieder so werden, wie es einmal war.

Das Buch beginnt mit einem Unfall. Dann zeigt Ella Berman uns Grace bei ihren Eltern und warum sie zurück nach LA geht. Grace erzählt uns die Geschichte aus ihrer Sicht – unterbrochen immer wieder von Rückblenden, wie es so weit kommen konnte.

Es war Able, der sie einst entdeckte, der sie förderte und einen erfolgreichen Film nach dem anderen mit ihr produzierte. Aber es war auch Able, der sie manipulierte, ihr jedes Selbstbewusstsein raubte und sie auch sexuell missbrauchte – was erschütternderweise nicht der schlimmste Teil des Missbrauchs war.

Verfasst hat Ella Bermann das Buch noch vor der MeToo-Debatte und doch ist es ein so wichtiger Beitrag dazu. Es zeigt, warum die Frauen so lange schweigen und – Spoiler – Karrieregeilheit ist nicht der Grund. Vielmehr bringt Able Grace dazu, an jeder ihrer Entscheidungen zu zweifeln, ständig ist sie mit der Frage beschäftigt, ob er nicht doch recht hat, mit dem, was er sagt. Mit seiner Kritik, die ständig auf ihre Persönlichkeit abzielt in einer Lebensphase, in der sich die Persönlichkeit gerade erst aufbaut. Hut ab vor Grace, dass sie in der Lage ist, das irgendwann zu merken.

„Das Comeback“ ist wirklich harter Stoff, weil wir gemeinsam mit Grace erleben, wie sie sich selbst verliert und immer wieder ins Straucheln gerät bei dem Versuch, sich wiederzufinden. Sie möchte auch Rache, aber sie zweifelt lange daran, ob es ihr überhaupt zusteht, so viele Menschen mit Able gemeinsam herunterzureißen – wie zum Beispiel seine Frau Emilia, mit der sie sich anfreundet. Und es ist harter Stoff, weil es so wahr ist. Manipulatoren arbeiten genau so. Mit Zuckerbrot und Peitsche, mit Behauptungen, die einen wahren Kern haben – irgendwie. Mit Worten, die dich in Selbstzweifel stürzen, die auch dann nicht aufhören, wenn du die Worte schon lange nicht mehr hören musst. Das macht Gaslighting so grausam. Es hört nie auf, noch nicht einmal dann, wenn du dich erfolgreich gewehrt hast – und schon gar nicht, wenn du einfach nur gegangen bist.

Fazit: Ganz starkes Buch über Missbrauch in all seinen Formen, in dem Grace so manche Erkenntnis kommt, die auch den Leser aufhorchen lässt und das beim Lesen manchmal sprachlos macht – sprachlos wie Grace einst war.

Ella Berman: Das Comeback
Aus dem englischen übersetzt von Elina Baumbach
Pola, September 2024
gebundenes Buch, 448 Seiten, 24 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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