Wie der wahnwitzige und rasante 160 Seiten lange Text eines gigantischen Rap-Songs wirkt Dorota Masłowskas Roman „Andere Leute“. Das Ganze hat Rhythmus und Drive, und man kommt aus dem Staunen nicht heraus über soviel Sprachvirtuosität.
Der Warschauer Plattenbau-Loser und Kleinkriminelle Kamil sieht sich als Künstler und will unbedingt eine Rap-CD aufnehmen. Vorerst jedoch muss er sich mit seiner trinkfreudigen Mutter und der streitsüchtigen Schwester herumschlagen, mit denen er notgedrungen zusammenlebt.
Unerwartetes Geld: Als sich ihm bei einem Gelegenheitsjob als Klempner-Gehilfe die vom Ehemann gehörnte und gelangweilte Iwona an den Hals wirft, scheint zumindest Kamils momentaner Geld-Engpass behoben zu sein, denn Iwona hat nichts dagegen, Kamil für seine Liebes-Dienste zu entlohnen.
Der Star in diesem Roman ist eindeutig die Sprache. Es ist faszinierend, welche frechen Sprachkaskaden Autorin Dorota Masłowska und mit ihr natürlich Übersetzer Olaf Kühl (selbst ein erfolgreicher Romanautor) zu Papier bringen. Das macht schlicht Spaß, erfordert aber ein gewisses Maß an Konzentration beim Lesen. 160 Seiten für eine solche Art von Roman sind genau die richtige Länge. Wäre er länger, würde dieser Stil ermüden.
Ein Reigen: Der ganze Text lässt sich als eine Art Reigen verstehen (Arthur Schnitzler lässt grüßen), kommen doch die handelnden Personen immer mal wieder in unterschiedlichen Konstellationen miteinander in Kontakt – auch der gehörnte Ehemann Iwonas mit dem durch den Roman stolpernden Kamil.
Dorota Masłowska, geboren 1983 in Polen, erhielt 2005 für ihren Debütroman „Schneeweiß und Russenrot“ den Deutschen Jugendliteraturpreis. Ihre weiteren Romane hießen „Die Reiherkönigin“ und „Liebling, ich habe die Katzen getötet“. Die Autorin wurde mit den wichtigsten polnischen Literaturpreisen ausgezeichnet.
Dorota Masłowska: Andere Leute.
Rowohlt, November 2019.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.