Donatella di Pietrantonio: Arminuta

Nach einer unbeschwerten Kindheit am Meer erlebt die Ich-Erzählerin im Alter von dreizehn Jahren einen drastischen Ortswechsel. Von jetzt auf gleich wird sie in einem Dorf bei einer Großfamilie untergebracht. Dort kennt sie niemanden und ist zugleich die Fremde. Deshalb wird sie von den Dorfbewohnern auch so genannt, Arminuta. Gleichzeitig erfährt sie, wer ihre wahren Eltern sind und dass sie darüber hinaus drei ältere Brüder, eine etwas jüngere Schwester und einen kleinen Bruder hat.

1975 im Süden Italiens zu leben, bedeutet für die Großfamilie der Erzählerin bittere Armut. Ihre Eltern arbeiten ohne regelmäßigen Lohn und versuchen, in der kleinen Wohnung für jeden weiteren Familienzuwachs einen Platz zu finden, wo es keinen mehr gibt. Aus diesem Grund teilt die Ich-Erzählerin mit ihrer Schwester Adriana ein schmales Bett, in dem jede von ihnen die Füße der anderen neben dem Gesicht liegen hat. Im gleichen Zimmer schlafen auch die großen Brüder, die die Mädchen immer wieder gerne ärgern. Schnell bilden die beiden Mädchen eine Allianz.

Es sieht so aus, als wäre die Erzählerin in einer Sackgasse gelandet, die keine gute Zukunft erlaubt.

Donatella di Pietrantonio zeigt in ihrem sensibel erzählten Roman anschaulich, wie Armut und Hunger traumatisieren und das vorher selbstbestimmte Leben der Erzählerin einschränkt.

»… Es gab keinen Grund mehr, auf der Welt zu sein. Leise wiederholte ich hundertmal das Wort Mama, bis es keinen Sinn mehr hatte … Mit zwei lebenden Müttern wurde ich zum Waisenkind. Die eine hatte mich … weggegeben, die andere … zurückgebracht.« (S. 147)

Das Geheimnis um die verschwundene Mutter macht es der Erzählerin besonders schwer, die Gründe für das neue Leben ohne Liebe zu verstehen. Sehr einfühlsam erzählt die Autorin, wie die Dreizehnjährige die Reise ins Ungewisse annimmt und den Leser gleich mit. Natürlich könnte Donatella di Pientrantonio die Gründe für die Not in der Familie direkt benennen: Warum jemand arm ist und arm bleibt; warum Bildung für arme Kinder schwer zu erreichen ist, warum Religion und Tradition eine Familienplanung festlegen und vieles mehr. Die Autorin hat sich aus vielen guten Gründen entschieden, die Kraft eines einzelnen Menschen zu fokussieren. Dies schenkt Hoffnung, auch wenn mitunter die Keule in der Hand hilfreich wäre.

Donatella Di Pietrantonio: Arminuta.
Verlag Antje Kustmann, September 2018.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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