Clara Tümmler hat es fast geschafft. Statt den Bäckerssohn zu heiraten und die elterliche Metzgerei in ein Weck-und-Wurst-Imperium zu verwandeln – oder sollte man sagen: »Weck und Worscht«, wie in ihrer Rheinhessischen Heimat üblich – studiert sie im fünften Semester an der Schauspielschule. Nicht nur das, sie hat eine heiße Affäre mit Dr. Adrian Steinhöfer, ihrem Dozenten, einem Vokalfetischisten, der sich von ihr ‚Lümmelchen‘ nennen und anzügliche ‚I’s und ‚Ö’s vorsäuseln lässt.
Und jetzt will er sie sogar ans Wiener Burgtheater zum Vorsprechen vermitteln!
Gerade, als sie überlegt, ob ihr das eventuell zu schnell geht, erreicht sie ein Anruf eines gewissen Valentin. Mit dem hat sie vor langer Zeit in einem Hinterhoftheater Romeo und Julia gespielt. Er bietet ihr eine Traumrolle auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Nordroute an. Sie muss sich sofort entscheiden.
Clara sagt zu und freut sich auf ein spannendes Engagement, nette Kreuzfahrtgäste und lehrreiche Ausflüge.
Die Realität ist das krasse Gegenteil.
Sie muss sich eine winzige Kabine mit Tattookünstlerin Sunny teilen. Die Fahrgäste bestehen zum großen Teil aus der Zielgruppe für dritte Zähne und Heizdecken. Ihr Bühnenpartner nennt sich Peachy the Peacock und entpuppt sich als schwäbelnder Albtraum. Und das »tolle Stück«, das Val geschrieben hat, als Aneinanderreihung von Peinlichkeiten. Wie soll sie aus dieser Nummer wieder herauskommen?
Zumal die Crew und die wenigen jüngeren Fahrgäste nur aus durchgeknallten Typen zu bestehen scheinen.
Einzig Gesine, die Yogalehrerin, und Simon, der Zeichner, machen einen halbwegs sympathischen Eindruck. Flucht ist jedoch keine Option, man befindet sich bereits auf hoher See …
Hier sind alle Zutaten vereint zu einem heiteren Sommerroman.
Mehr als heiter.
Brüllend komisch, intelligent und schräg.
Skurrile Crew, noch skurrilere Fahrgäste und dazwischen Clara, die sich über ihre Gefühle zu Lümmelchen klarzuwerden versucht. Denn Frauenschwarm Simon ist auch nicht uninteressant …
Bei den Kreuzfahrtgästen erkennt der geneigte Leser die Sachsen ‚Judda‘ und ‚Üwe‘ wieder, die in Claudia Brendlers ersten beiden Büchern (‚Eiertanz‘ und ‚Paarungszeit‘) bereits ihr Unwesen trieben. Hier erhalten sie so nette Gegenspieler wie ‚Loddusblütsche‘ aus Hessen und einer Gruppe bierbäuchiger Bayern. Dabei spielt die Autorin gekonnt mit den Dialekten – sie live bei einer Lesung zu erleben ist ein Erlebnis – und der Sprachwitz macht einen großen Teil des Humors aus. Dazu peinliche Situationen, Verwechslungen und sogar der Hauch eines Kriminalfalls. Erzählt ist die Geschichte aus Claras Sicht, aber eingestreut finden wir ein geheimes Logbuch von Simon und der Perspektivwechsel ist ein gelungener Kniff, um dem Leser Simon erstens näherzubringen, und zweitens Dinge zu erzählen, die sich nicht unmittelbar vor Claras Augen abspielen.
Planen Sie in diesem Jahr vielleicht eine Kreuzfahrt? Sie sollten nicht ohne »Dösende Möwen« an Bord gehen. Aber auch für Urlaub in den Bergen, Campingurlaub oder eine Städtetour ist Claudia Brendlers urkomischer Roman der ideale Begleiter.
Claudia Brendler: Dösende Möwen.
Knaur, März 2014.
352 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Susanne Ruitenberg.