Bernhard Hennen: Die Chroniken von Azuhr 01: Der Verfluchte

Einst, Generationen ist es her, überfielen die Eroberer Cilia, das magische Land der Menschen vom Schwertwald, metzelten die Einwohner nieder, schliffen deren Städte und versklavten die jungen, hübschen Rothaarigen. Seitdem haben sich die letzten Verbliebenen, angeführt von den Herzögen der Schwerter der Rosen in den Schwertwald zurückgezogen, immer bedrängt von den Söldnern der mächtigen Handelshäuser und den Klerikern des Roten Klosters. Nandus Tomero dient der Kirche als oberster Priester Dhalias. Seitdem er die Zeichen erblickt hat, die Sterne, die am Firmament erlöschen, weiss er, dass ein lang prophezeiter Wechsel bevorsteht.

Drei Söhne hat er gezeugt, den Jüngsten, Milan will er mit all seiner Macht prägen und die Hierarchien der Kirche erklimmen lassen. Doch Milan hat seine eigenen Pläne, lernt er doch nicht nur eine faszinierende Diebin kennen, sondern rebelliert auch gegen den despotischen Vater. Dass er sich damit nicht nur gegen Vater und Kirche stellt, sondern gegen sein eigenes Volk weiß er. Dass er aber als Fleischweber die legendären Mären Gestalt verleiht, dass er der Prophezeiung um die Weiße Königin wahr werden lassen könnte, muss er erst erkennen …

Bernhard Hennen nimmt im Reigen der Deutschen Phantastik-Autoren einen besonderen Rang ein. Zusammen mit Markus Heitz besetzen seine Fantasy-Bücher die Bestsellerlisten, lassen Verlage und Buchhändler jubeln. Über die Jahre habe ich einige Werke von Bernhard Hennen, den ich auch persönlichen kennenlernen durfte, gelesen. Darunter waren ausgezeichnete Romane, aber auch Bücher, die mir ob ihrer Stromlinienförmigkeit der Handlung weniger gefielen. Und ich habe einige, viel zu wenige, Lesungen von Hennen besucht.

Nun muss man dazu wissen, dass der Autor eine besondere Gabe des mündlichen Erzählens sein Eigen nennt. Ähnlich wie die alten Barden liest er nicht schlicht den gedruckten Text, sondern interpretiert und trägt diesen, den er im Vorfeld wie spontan variiert, vor. Diese Abwandlungen, Straffungen wie Ausschmückungen machen den Vortrag unheimlich lebendig so dass seine Lesungen ein wahres Happening sind.

Zum vorliegenden Buch. Der Verlag hat es nicht nur werbetechnisch besonders herausgestellt, man hat der Fangemeinde kurz vor Weihnachten auch eine auf 666 Stück limitierte, signierte Hardcoverausgabe neben vorliegendem Paperback angeboten. Und schon die „normale“ Paperback-Ausgabe zeigt, dass sich der Verlag erfolgreich bemüht, den Titel aus dem monatlichen Allerlei hervorzuheben. Reichhaltiger Prägedruck des Covers inklusive des Krähenmotivs, dazu rundum Farbschnitt in Blau, das weckt das Interesse des Käufers.

Inhaltlich wartet nach den Elfen und den Werken in der Welt des Schwarzen Auges eine ganz neue Bühne auf den Fan. Im Verlauf der Handlung erfährt der Rezipient dann mehr über die wechselvolle, ja dramatische Geschichte Cilias, über die Eroberung, die Unterdrückung und Versklavung der Urbevölkerung. Hier bietet sich die Welt als durchaus komplex und sorgfältig ausgestaltet an, man merkt, dass der Autor hier auch die Grundlagen für die weiteren Bände legt.

Im Zentrum aber steht ein dramatischer Vater-Sohn Konflikt. Es geht um die Selbstbestimmung der Kinder, um den Versuch des Vaters, über die Zöglinge eigene, nicht erreichte Ziele anzustreben und doch noch zu erreichen, aber auch darum, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Während der Sohn Milan hier fast schon erwartungsgemäß agiert, wir seine Rebellion gut nachvollziehen können und er als Identifikationsfigur bestens geeignet ist, wurde sein Vater Nandus zunächst als Widerpart, als Despot aufgebaut. Im Verlauf der Handlung aber hinterfüttert Hennen diesen Charakter mit immer deutlicherer glaubwürdiger Motivation, so dass er letztlich für mich fast zur bestimmenden, weil interessantesten Figur des Buches wurde.

Fazit: Bernhard Hennen wagt sich auf eine neue, ans mittelalterliche Italien angelehnte Bühne auf der der uns von einer Prophezeiung, einem verzweifelten Kampf gegen einen Genozid und einem Vater-Sohn Konflikt der besonderen Art erzählt und auf die Fortsetzung neugierig macht.

Bernhard Hennen: Die Chroniken von Azuhr 01: Die Verfluchte.
Fischer Tor, Dezember 2017.
576 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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