„… Wenn man allein schwimmt, gibt es niemanden, dem man das alles erzählen könnte.“ (S. 32) André Wiersig war als Soloschwimmer unterwegs, um die berühmt-berüchtigten Oceans’s Seven zu durchqueren. Er schaffte alle beim ersten Versuch unter zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen. Der ehemalige Leistungsschwimmer und Ironman begann – sportlich gesehen – im ruhigen Fahrwasser. Im Februar 2011 wollte er in einer Bucht auf Ibiza zu einer 400 Meter entfernten Boje schwimmen und scheiterte an dem 14 Grad warmen Wasser. Dies wurmte ihn so sehr, dass er seinen Körper auf Kälte zu trainierte. Ein Jahr später schaffte er die Strecke.
Wie so oft kommt eines zum anderen. Bei André Wiersig war es der unbescheidene Wunsch, den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Die Distanz von mehr als 33 Kilometern verlangt von jedem Schwimmer aufgrund der niedrigen Wassertemperatur, der Strömung und dem regen Schiffsverkehr maximalen Krafteinsatz. Die Quote unter den Männern, das Ziel nicht zu schaffen, soll bei 5:1 liegen. Akribische Vorbereitung und mentale Stärke halfen ihm: Er erreichte sein Ziel unter zehn Stunden und schwamm strömungsbedingt knapp 46 Kilometer. Es hätte dabei bleiben können, wenn ein Kollege ihm nicht schon den Artikel über Ocean’s Seven gegeben hätte. Systematisch bereitete er sich nun auf die extrem schwierigen Strecken vor. Allein für die Zulassung der Strecke Nordirland – Schottland, dem North Channel, musste er nachweisen, mindestens sechs Stunden bei maximal 15 Grad Celsius schwimmen zu können. Dieses Testschwimmen im Loch Lomond gelang ihm bei circa 10 Grad Celsius.
Was André Wiersig über sechs Jahre hinweg erlebte, darf der Leser in einem spannend zu lesenden Buch verfolgen. Dieses entstand in Zusammenarbeit mit Erik Eggers und enthält zahlreiche eindrucksvolle Fotos. Zeitweise lesen sich seine Schilderungen wie ein Abenteuerroman, wenn er von Begegnungen mit Haien, portugiesischen Galeeren aber auch von Kollisionen mit Müll erzählt. Abgesehen von den ergreifenden Erlebnissen wurde er von den treibenden Müllmengen aufgerüttelt, so dass er sich heute als Botschafter für müllfreie Ozeane einsetzt.
Der Soloschwimmer startete häufig im Dunkeln. Für den Start in die Tsugaru Strait in Japan schwamm er 300 Meter durch tiefstes Schwarz zu einem felsigen Ufer, um dort Auge in Auge neben einem Seelöwen zu landen, der plötzlich durch einen Suchscheinwerfer sichtbar wurde. Den Startpunkt erreichte er in aller Ruhe, weil er mit verbundenen Augen und durchschnittlich 16 Zügen auf 50 Meter schnurgerade kraulen kann. Dies hatte er im Vorfeld im Schwimmbad trainiert.
Als 16. Schwimmer weltweit kämpfte er sich durch die sieben stürmischen, zum Teil eiskalten und stets gefährlichen Strecken. Und wer so schnell und ausdauernd schwimmt, kann sich vermutlich auch mit den Freiwasserschwimmern bei der Schwimm-WM messen.
Sehr empfehlenswert ist André Wiersigs Buch für jeden Schwimmer und die, die gern ihren Horizon erweitern.
André Wiersig & Erik Eggers: Nachts allein im Ozean: Mein Weg durch Ocean’s Seven: Mit einem Vorwort von Steven Munatones.
Verlag Eriks Buchregal, September 2019.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.