Jarka Kubsova: Bergland

Schauplatz des Geschehens in diesem Buch ist der Innerleit -Hof im abgelegenen Tiefenthal in den Südtiroler Bergen. Es wird von drei Generationen berichtet, die dort leben und arbeiten. Die Autorin erzählt nicht chronologisch. Sie verflicht die Handlungsstränge miteinander, enthüllt immer mehr von den Lebensgeschichten, die sich auf Innerleit zutragen.

Eine wichtige Person ist Rosa. Nachdem der eine ihrer Brüder im II. Weltkrieg gefallen und der andere verschollen ist, die Eltern gestorben sind und ihr Ehemann nicht von der Front zurückkehrt, bleibt sie alleine auf dem Anwesen zurück, setzt den alten Hut ihres Vaters auf und schuftet wie ein Mann. Eines Tages kehrt ihr Ehemann endlich heim. Allerdings hat er einen Arm verloren. Der schweren Arbeit nicht gewachsen und an seiner „Nutzlosigkeit“ verzweifelt, bringt er sich um.

Rosa hat inzwischen ein Baby, den kleinen Sepp. Um alle anfallenden Pflichten im Stall, im Wald, in Flur und Feld ohne Hilfe bewältigen zu können, vernachlässigt sie ihr Kind, sperrt es oft ein, um es vor Gefahren zu schützen. Sepp trägt dadurch seelische Verletzungen davon, die sein Leben lang nicht heilen. Er bleibt verschlossen, wortkarg und griesgrämig, sodass seine Frau ihn verlässt und er der erste Bauer im Tal wird, der geschieden ist. Sein Sohn Hannes bleibt aber bei ihm auf Innerleit. Er heiratet Franziska, die auch aus dem Tal stammt, Biologie studiert hat und für den Hof ihre Dissertation aufgibt. Franziska versucht verzweifelt die pingeligen Vorschriften des Tourismusverbandes zu erfüllen und als Vermieterin den Vorstellungen der Gäste vom „Urlaub auf dem Bauernhof“ gerecht zu werden. Der Hof braucht die Einnahmen von den Touristen dringend.

Jarka Kubsova skizziert die epochalen Umwälzungen in der europäischen Landwirtschaft, die sich von ca. 1940 bis 2020 ereignet haben. Das liest sich in einer statischen, fast blockhaften Sprache Großteils authentisch und passt stilistisch zur rauen Bergbauernwelt.  Als aber Sepp aus heiterem Himmel zum lieben Opa mutiert, Hannes nach großen Zweifeln den Hof doch fortführt, Franziska sich nach einer Psychotherapie ganz auf das Wissen der Vorväter besinnt, tradiert von Sepp und basierend auf den Erfahrungen von Rosa, kippt bei so viel Romantik das Buch ins Kitschige. Vor allem, als in der letzten Szene die eigensinnige Ella, Tochter von Hannes und Franziska, wie die Uroma Getreide mit der Hand säend über die Felder schreitet.

Jarka Kubsova gelingt einerseits eine gut lesbare Darstellung der bergbäuerlichen Lebenswelt im Wandel der letzten hundert Jahre, andererseits schimmert auch viel romantisches Wunschdenken durch die Zeilen, das die landwirtschaftliche Realität in unseren Tagen in ihrer Komplexität nicht versteht und sich von Bildern der Idylle leiten lässt. Darum ist mein Eindruck ein ambivalenter. Über weite Strecken erzählt das Buch eine glaubhafte Geschichte. Das kitschige Ende aber schmälert für mich die Qualität des Textes erheblich.

Jarka Kubsova: Bergland.
Goldmann Verlag, Mai 2021.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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Ein Kommentar zu “Jarka Kubsova: Bergland

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