Niri hat es wirklich nicht einfach im Leben. Dass ihr Vater den Aeldae angehörte, dem Volk, das über Generationen alle anderen Völker der Welt gnadenlos versklavte, bewirkt, dass so gut wie jeder, dem sie begegnet, ihr mit Misstrauen, ja Abscheu gegenübertritt. Dass damals Malkar, der Gott des Feuers, den Gott des Himmels und Schirmherr der Aeldae tötete, führte zu einer Umkehrung des bisherigen Machtverhältnisses.
Bislang hat Niri es, dank ihres menschlichen Oheims, als Kohlenmädchen verstanden, auf den Straßen Oheims zu überleben. Als ihr Onkel aber stirbt, steht sie plötzlich gänzlich ohne Hilfe, ohne Vertraute, ohne Freunde da.
So ganz stimmt dies nicht, hat sie doch einem reichen, aufgeblasenen Adeligen dessen gefangen gehaltenes Haustier, einen Taschendrachen entführt. Grabbelschnack ist erst einmal der Einzige, der zu ihr hält und wärmt sie mit seinem inneren Feuer.
Ihr einzige Hoffnungsschimmer – eine Bettlermünze ihres Oheims, die ihr Zutritt zur Sturmfels-Akademie verschaffen soll – eine Akademie, in der Magie und Kampf gelehrt wird – alles, das versteht sich von selbst, natürlich nur gegen klingende Münze. Als sie verängstigt, erschöpft und frierend die Akademie erreicht, kommt sie in den Bettlerturm – dem Ort – der Name zeigt es schon – in dessen baufälliger Ruine die Eleven landen, die weder Silber noch Gold ihr eignen nennen.
Niris hat nicht einmal Kupfer – sodass sie eigentlich gleich wieder zum Tor hinausschreiten sollte – doch sie findet – ungewöhnliche Freunde und Verbündete.
Ausgerechnet Wildlinge, vom verseuchten Land geprägte Menschen und Zwerge nehmen sie in ihre Gruppe auf – und dies, obwohl sie bei Gefahr immer erst einmal einige Atemzüge vor Panik einfriert. Doch dann zeigt sich, dass sie und ihre Freunde auch etwas haben, das den anderen Eleven abgeht – Motivation und Fähigkeiten, die sich aus der Summe ihrer Unterschiede speist. Als sie ein Monster besiegen und dabei einer verschollenen Sigille nahe kommen, scheint sich ihr Glück zu wenden – doch dann tauchen am Horizont bereits neue Sorgen auf – es riecht nach Krieg …
Torsten Weitze ist uns schon seit längerer Zeit ein Begriff. Mit seiner Nebula Convicto Reihe hat er sich der Urban Fantasy zugewandt, mit dem Dreizehnten Paladin der klassischen High-Quest-Fantasy, Zusammenarbeiten mit Kollegen erschienen zumeist im Dreierpack – sprich als Trilogien. Nun kehrt er mit dem Auftakt einer neuen vielteiligen Fantasy Saga zurück – und dies gleich auch noch bei einem neuen Verlag.
Lausch kennen wir von deren vorzüglichen Hörbuchumsetzungen – mit der Sturmfels-Akademie betreten sie das für sie neue Feld des Print-Romans.
Fast ein-viertel des Buches nimmt sich der Autor Zeit uns seine Welt ein klein wenig vorzustellen und seine Hauptfigur(en) – ja der süße Taschendrache ist auch handlungsrelevant! – vorzustellen.
In diesem Auftakt des Romans blieb für mich Vielleser zu manches vorhersehbar, bot der Plot wenig Überraschung oder wirklich interessante Ansätze. Ich befürchtete schon, einmal mehr einen – entfernten – Abklatsch der üblichen Internats-Serien vorgesetzt zu bekommen, als die Handlung plötzlich und höchst willkommen, doch innovativ und interessant wurde!
Da wird uns, geschickt in die laufende Handlung inkludiert, von auf Erden wandelnden Göttern und einem Krieg zwischen diesen berichtet, da können Menschen, wenn sie nur die Sigillen meistern, selbst zu Göttern mutieren, da erleben wir Ausgrenzung, Fremdenhass, Vorurteile und das bekannte „nach unten treten“ mit. Ja, das gab es alles schon in anderen Fantasy-Zyklen und Schöpfungen, nur, man muss das Rad auch nicht immer neu erfinden, um die Lesenden zu unterhalten. Dies hat Weitze beim Paladin geradezu mustergültig bewiesen und dies deutet sich auch vorliegend an.
Neben der sich immer detailreicher abzeichnenden Welt sind es, wie vom Verfasser gewohnt, die liebevoll gezeichneten Figuren, die uns interessieren und fesseln. Hier verlässt sich der Autor auf erprobte Schemata – die Underdogs, die sich zusammenraufen, um den gehässigen und überheblichen Adeligen zu zeigen, dass auch sie eine Daseinsberechtigung haben und etwas bewirken können. Dazu gesellen sich jede Menge Geheimnisse, Figuren, die neue, unerwartete Seiten offenbaren, Bündnisse, die sich andeuten – das Tempo zieht gegen Ende hin immer deutlicher an.
Stilistisch eher einfach, dafür durchgängig solide ausgeführt, wartet somit ein munterer, immer spannender werdender Romanauftakt auf uns, der neugierig darauf macht, wie es Ende des Jahres wohl im zweiten Teil weitergehen wird.
Torsten Weitze: Der Turm der Bettler – Sturmfels Akademie 01
Lausch Medien, Juli 2023
468 Seiten, Taschenbuch, 19,99 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.