Tim Weaver: Blutiges Schweigen

blutDie Eltern der siebzehnjährigen Megan Carver bitten David Raker um Hilfe bei der Suche nach ihrer vermissten Tochter. Das Mädchen, eine Vorzeigeschülerin aus gutem Haus, verschwand vor beinahe sieben Monaten spurlos. Die Londoner Polizei scheint die Ermittlung eingestellt zu haben, da Caroline und James Carver seit Wochen von den zuständigen Beamten keine Nachrichten mehr über den Verbleib ihrer Tochter erhalten haben.

Raker findet heraus, dass Caroline Carver ihm wichtige Informationen verschweigt. Kaitlin Devonish, eine Klassenkamerdin Megans, eröffnet Raker, dass diese in ihrer Freizeit ehrenamtlich in einem Jugendzentrum gearbeitet und dort einen Mann kennengelernt hat. Von diesem Unbekannten war Megan schwanger. Megans Ex-Freund Charlie Bryant, der sich auch in diesem Jugendclub herumgetrieben hat, und dessen Vater werden ermordet, bevor Raker mit dem Jungen sprechen kann.

Auf dem Videoband einer Diskothek, die Megan regelmäßig zusammen mit Freundinnen besucht hat, entdeckt Raker einen Mann, der dem Serienkiller Milton Sykes wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sykes, der dreizehn junge Frauen entführt und ermordet hat, ist allerdings bereits seit hundert Jahren tot. Seine Opfer sind nie gefunden worden. Die Nachforschungen in der Vergangenheit Sykes führen Raker auf die Spur eines Nachahmungstäters, der in die Identität des verstorbenen Serienkillers geschlüpft ist. Ein düsterer Wald am Stadtrand, in dem die Polizei die Leichen von Sykes Opfern vermutet und in den Megan durch eine verschlüsselte E-Mail gelockt worden ist, scheint der Schlüssel zur Aufklärung des Falls zu sein.

Unerwartete Hilfe erhält Raker von Detective Sergeant Colm Healy, dessen Tochter Leanne vor neun Monaten ebenfalls spurlos verschwunden ist. Healys ermittelnde Kollegen haben den Fall zu den Akten gelegt, da er und seine Tochter häufig stritten. Die Beamten gehen davon aus, dass Leanne wegen der Auseinandersetzungen mit ihrem Vater von zu Hause abgehauen ist. Doch Raker und Healy vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Megan und Leanne. Ihre gemeinsame Ermittlung führt sie zur russischen Mafia in London.

„Blutiges Schweigen“ ist nach „Totgesagt“ der zweite Thriller des englisches Journalisten Tim Weaver um den Ich-Erzähler und ehemaligen Journalisten David Raker, der nach dem Krebstod seiner Frau Derryn seinen Beruf aufgegeben und sich auf die Suche nach Vermissten spezialisiert hat.

Raker ist ein einsamer Wolf, der seit dem Verlust seiner Frau Beziehungen scheut und seinen Lebensinhalt im Auffinden spurlos verschwundener Personen findet. Weil er die Erfahrung gemacht hat, wie schmerzlich es ist, jemand zu verlieren, hält er es für seine Pflicht, anderen dieses Leid zu ersparen. Raker erinnert in der Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit, mit der er nach der Wahrheit sucht, an den legendären Philip Marlowe in den Romanen von Raymond Chandler oder an Lew Archer, den berühmten Detektiv von Ross Macdonald.

Die meisten Personen dieses Romans sind gebrochene Figuren. Der latent gewalttätige Polizist Colm Healy, der seine Frau bei einem Streit schwer verletzt hat, geht an dem Verschwinden seiner Tochter beinahe seelisch zugrunde. Auch sind Caroline und James Carver nicht die perfekten Eltern, die sie vor Raker spielen. Ihre Tochter Megan rebelliert gegen die bürgerliche Welt des schönen Scheins und lässt sich mit einem Mann ein, den ihre Eltern mit Sicherheit abgelehnt hätten.

Die Handlung des Romans ist kompliziert und erfordert konzentriertes Lesen. Es ist besonders im ersten Drittel des Buchs nicht leicht, die Übersicht über die verschiedenen Handlungselemente und die Vielzahl der Personen zu behalten. Doch Tim Weaver führt nach und nach die Erzählstränge geschickt zusammen, um den Fall in einem furiosen Finale aufzulösen.

Fazit: Ein Thriller der Extraklasse mit einem Helden, der das Potential zum Klassiker hat, in einer komplexen und vertrackten Ermittlung mit überraschendem Ende.

Tim Weaver: Blutiges Schweigen.
Goldmann, Dezember 2011.
512 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.

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