Es ist keine schöne Welt, die Sahra Raich uns in Equilon entwirft. Der Klimawandel hat weite Teile der Welt unbewohnbar oder fast unbewohnbar gemacht. Aus Städten sind Ghettos geworden, in denen der Großteil der Menschen gerade so überlebt. Die meisten von ihnen haben ein Ziel: den Score für „eine Milliarde“ erreichen (durch Wohlverhalten), um zu den wenigen Privilegierten zu gehören, die in New Valley leben. Dort lebt es sich bequem und modern und man kann daran arbeiten, den Planeten wieder für alle bewohnbar zu machen. Jenna schafft es und macht sich auf den Weg.
Dorian dagegen hat jedes Interesse daran verloren, sich um den Score zu bemühen, zu oft ist es ihm passiert, dass ihm Punkte verlorengingen, jetzt hat er aufgegeben. Er trifft auf das Kind Maggie, deren Mutter in seinem Beisein stirbt und ihn ausgerechnet auf den Weg nach New Valley schickt, allerdings ist sein Weg bei weitem nicht so komfortabel wie Jennas. Er landet auch nicht wie Jenna im Wohn- und Arbeitsbereich, sondern in Tunneln bei den Rebellen. Denn nicht jeder glaubt, dass das System funktionieren kann oder auch nur gut ist.
Auch Jenna muss erfahren, dass nicht alles Gold ist, was in New Valley glänzt. Obwohl sie zu den Privilegierten zählt, erkennt sie nach und nach die Gewissenlosigkeit, die hinter der Auswahl steckt. Wer oder welcher Algorithmus hat das Recht, Menschen zum Leben oder Sterben zu verurteilen? Und gibt es überhaupt Fortschritte bei all den Opfern, die weltweit gebracht werden? Natürlich trifft sie irgendwann auf die Rebellen und auf Dorian.
Ein lesenswerter Roman darüber, wie die Welt aussehen kann, wenn die Menschheit nicht nur so weitermacht wie bisher, sondern auch so weiterdenkt wie bisher. Dann werden Katastrophen nur das Schlechteste in jedem Einzelnen hervorbringen. Interessant war vor allem Jennas Verwandlung von der Gläubigen zur Sehenden, Dorian hatte ja von Anfang an Zweifel an dem System. Sarah Raich hat eine Welt entworfen, in der einige Wenige gut Leben, wenn auch nicht unbedingt auf Kosten der Vielen, so doch zumindest nur dadurch, dass sie ihre Zahl gering halten und der Rest der Welt vor sich hindarbt. Also gar nicht so unvorstellbar in unserer heutigen Zeit.
Sarah Raich: Equilon
DTV Februar 2023
400 Seiten, Paperback, 16 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.