Sarah Ellis, Nancy Vo: So Glenn wie möglich

Was für eine kühne Idee, ein Bilderbuch über Glenn Gould, den bekanntesten Pianisten unserer Zeit, zu machen, der in der klassischen Musik eine Ikone ist und auch noch vierzig Jahre nach seinem Tod für seine perfekten Konzerte berühmt ist.

Die Autorin Sarah Ellis und die Illustratorin Nancy Vo haben für dieses Wagnis, die Schlichtheit gewählt, die Reduzierung auf das Wesentliche. Sie beginnt mit dem Jungen Glenn, der mit seinem Hund Nicky und seiner Mutter den Radioklängen lauscht. Schon damals wusste er genau, was er mag und was nicht.

Und was er am meisten mochte, war die Musik. Deshalb sang er als Junge ganz laut, wenn er mit seinem Boot auf den See hinaus ruderte und sich vorstellte, ein Orchester zu dirigieren. Statt das Bad in der Menge liebte er die Natur und die Tiere. Schon recht schnell wurde deutlich, dass Glenn ein Ausnahmetalent war, intelligent und konzentriert, und dies nicht nur wenn er sich der Mathematik und den Mustern der Musik widmete.

Die Autorin schreibt so konsequent und liebevoll, wie Glenn seinen ganz eigenen Weg geht und sich fremden Regeln verweigert, die ihm schaden. Hierin dürfte er für jeden ein großes Vorbild sein, der sich nicht verbiegen lassen möchte. So Glenn wie möglich heißt nichts anderes, als sein wahres Ich zu pflegen und wachsen zu lassen. Etwas Besseres und Weiseres kann man keinem Kind mit auf die Reise in die Welt der Erwachsenen geben.

Wunderbares Bilderbuch

Die Illustratorin Nancy Vo zeigt in diesem wunderbaren Bilderbuch, ihre ganz eigene Art mit Kollagen und der Einbettung von Fremdmaterial wie Stoffen und Zeitungsausschnitten einzigartige Bilder zu gestalten und damit Kunst zu schaffen. Reduziert und trotzdem ausgearbeitet zeigt sie, wie der Hund Nicky seine Pfote auf Glenns Schulter legt, als wäre er der tröstende große Bruder, während sein Blick aufmerksam die Umgebung betrachtet und Glenn mit geschlossenen Augen seinen Gedanken nachhängt.

Wie auch in ihren früheren und auf jeden Fall empfehlenswerten Bilderbüchern bleibt sie ihren gedeckten Farben treu, in den Gelb, Orange- und Rottöne für Akzente sorgen. Das Markante steht im Vordergrund und wird von einer stimmungsvollen Umgebung getragen. Wenn Glenn bei seinen Konzerten von unangenehmen Geräuschen gestört wird, setzt Nancy Vo diese Gefühl um, indem sich die linke obere Ecke eines Konzertsaales wie ein Konzeptpapier einschlägt und knittert, als wäre das Konzert ein Entwurf, der unbedingt durch einen neuen ersetzt werden müsse.

Glenn Gould lebte von 1932 bis 1982. Eine kurze Biografie findet sich am Ende dieses Bilderbuches.

Zu empfehlen wäre, bei der Lektüre seine Musik zu hören, um so Glenn wie möglich dieses Ausnahmetalent zu begreifen.

Jean-Claude Lin übersetzte aus dem Englischen.

„…  Er muss niemanden zufriedenstellen, nur sich selbst. Er spielt die ganze Nacht durch. Er spielt, bis jede Note für ihn sitzt.“

Sarah Ellis, Nancy Vo: So Glenn wie möglich.
Aus dem Englischen übersetzt von Jean-Claude Lin.
Verlag Freies Geistesleben, August 2022.
40 Seiten, Gebunden, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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