Helena hat ihre Jugend als elende Kanalratte aus den Straßen Muldas weit hinter sich gelassen. Junker Konrad Vonvalt, einst gefürchtetes und geachtetes Mitglied des unbestechlichen Ordens der Richter, nahm sie zunächst als Schreiberin, dann als Elevin zu sich.
Der Richterorden, der bislang alleine das Wissen um die Magie hütete, wurde vernichtet. Mehr noch – Sova, die Hauptstadt des Reiches wurde verraten, der Kaiser hat die Hinrichtung Konrads befohlen, die Richter wurde von den Klerikern und den Templern auf dem reinigenden Scheiterhaufen der Geschichte übergeben.
Scheinbar kann niemand mehr die unheilige Allianz vom Eiferer Claver, der sich illegal magische Kräfte angeeignet und unheilige Bündnisse mit Wesen aus der Nachwelt eingegangen ist und den verräterischen Templern aufhalten. Ganze kaiserliche Legionen wurden vernichtet, der Thronprinz ist gefallen, der Kaiser hat resigniert und sich mehr oder minder kampflos in seine Festung zurückgezogen. Hier wartet er auf seinen Tod – eine Rettung scheint unmöglich, das Geschlecht der Haugenaten wird ausgelöscht.
Dies will, dies kann Konrad nicht akzeptieren. Er bricht auf, um Unterstützung im Kampf gegen Claver zu suchen – und reist quer durchs Reich bis hin zu den bislang verfeindeten Wolfsmenschen. Nun, diese könnten, verstärkt durch einige wenige treue Legionen, das Heer Clavers vielleicht aufhalten.
In die Hauptstadt zurückgekehrt, reißt Konrad notgedrungen die kaiserliche Macht an sich. Er weiß, dass er, um die Gefahr von seinem geliebten Reich, für das er alles tun würde, abzuwenden, seine hehren Grundsätze über Bord werfen, schlimmer als der Feind werden muss. All dies belastet Helena, die dann von einem Verräter aus dem engsten Kreis der Getreuen gefangen gesetzt wird. Sie soll als Gefäß des mächtigsten Verbündeten Clavers dienen – ein Dämon soll in sie fahren, die Grenzen zwischen dem Reich der Menschen und der Dimension der Nachwelt, gemeinhin als Hölle bekannt, sollen niedergerissen werden …
Der dritte und letzte Band einer, wenn nicht der interessantesten High-Fantasy Trilogien der letzten Jahre liegt vor, respektive hinter mir.
Was war das doch für ein Bild, das Richard Swan vor meinem inneren Auge kreiert hat!
Ein archaisches Reich, in dem es um Macht und Intrigen, um Religion und Reichtum, um Wissen und Beschwörungen ging. Ein multi-kulturelles Reich, das durch gemeinsame Gesetze und den Richterorden, der diese überall durchsetzte, zusammengehalten wurde. Dass der Richterorden dafür auf die verpönte, geheim gehaltene Zaubermacht zurückgreifen musste, dass Kleriker und Richter einander misstrauisch, ja verfeindet gegenüberstanden, bot die Grundlage für den finalen Konflikt. Als sich in diesen dann Wesen aus anderen Dimensionen einmischten, war das Ende und damit die Veränderung der bisherigen Machtbalance absehbar.
Mit in dieses Bild eines großen Umbruchs inklusive Niedergang eines Großreiches hat der Verfasser immer auch philosophische Gedanken einfließen lassen.
Es ging um Verantwortung gerade derer, die Machtpositionen ausüben, um Vertrauen, um Korruption von Überzeugungen aus niederen, wie hehren Motiven. Und es ging – vorliegend – viel um das Sterben, die Mutmaßung, wie eine Existenz nach dem Tod aussehen könnte, wie die Reiche der Toten angelegt und beherrscht sein könnten.
Das Jenseits ist eben gerade kein moralisch zweigleisiger Ort, in dem die Guten in den Himmel aufsteigen und die Bösen in die Hölle niederfahren. Das Jenseits ist ein Ort des Chaos, wohin die Seele nicht aus einem bestimmten Grund geht, sondern aus Ermangelung eines Grundes (Seite 170).
Zumal auch die Gewichtung, ob ein Leben, ein Handeln einen zu den Guten oder den Bösen eingruppiert, doch von der jeweiligen Perspektive abhängt.
Gerade unser Richter verhält sich vorliegend, zum Wohl des Reiches versteht sich, amoralisch, brutal, ja bestialisch. Entsprechend kann man mutmaßen, ob er wirklich zu den Guten gehört, oder den Weg der Tugend und Moral im Verlauf der Ereignisse und Erfahrungen, die ihm widerfuhren, schon lange verlassen hat. Helena dient hier als moralischer Kompass, hinterfragt immer wieder die Handlungen ihres einstigen Meisters, konfrontiert diesen mit der Wahrheit, dass er seinen inneren Kompass verloren hat. Das ist interessant, in seine Stringenz faszinierend und höchst aktuell. Swan bietet uns die ganze Dramatik eines Untergangs, eine Hochzivilisation, verknüpft diese mit der Darstellung, wie ein moralisch integrer Mensch aus hehren Motiven zu einer Bestie wird, undenkbare Bündnisse eingeht, nur um letztlich an den Folgen als Mensch zugrunde zu gehen. Das ist großes Drama, das ist in sich überzeugend, das ist packend und intelligent – schon jetzt ein zukünftiger Klassiker des Genres.
Richard Swan: Im Nebel des Krieges – Die Chroniken von Sova Band 3
aus dem britischen Englisch übersetzt von Simon Weinert
Piper, Juli 2024
575 Seiten, Taschenbuch, Euro 18,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.