Nach einem beschaulichen, fast an ein Kinder- und Jugendbuch erinnernden Anfang, entwickelt dieser wunderbare Roman doch einen ganz eigenen Stil und Sog. Wobei eigener Stil vielleicht etwas zu relativieren ist. Ich dachte, während ich mich mehr und mehr in dieses kleine Dorf im Westerwald, mit seinen teilweise ganz skurrilen Bewohnern einlas, plötzlich an Janosch. Der große Romancier, Autor und Philosoph und Erfinder wunderbarer Kinderbuchfiguren: die Charaktere der Janosch-Bücher. Vor allem die vielen Abenteuer vom kleinen Bären und seinem Freund, dem kleinen Tiger werden weltweit und über Generationen hinweg immer wieder gern gelesen. Und irgendwie finde ich in den Beschreibungen der Protagonisten dieses Westerwald Dorfes: da ist der Reiseesel Mallorca, im Buch mit Peter zu vergleichen, Luises Vater. Luise ist der kleine Tiger mit ihrem Freund Martin, dem Bären. Und ein Stilmittel, von der Autorin nahezu bis zum Ende durchgehalten, sind eben die Namen der Hauptpersonen: Der Optiker, Der Einzelhändler, Der Buchhändler, Der Palm, etc. Die Frauen dagegen behalten alle ihre Vornamen.
Vor allem ist es Selma, die das Dorf zusammenhält. Aber auch Marlies, die Grantlerin, oder Elsbeth, die Abergläubische, Astrid, Luises Mutter, die zum Eisverkäufer, ihrem Geliebten zieht.. Irgendwann, denn Luise erzählt mehrere Jahrzehnte aus ihrem Leben im Dorf und manchmal auch aus der nahen Kreisstadt, kommt noch ein Buddhist dazu, namens Frederic. Allein sein Einstieg in die Geschichte ist zum brüllen komisch. Alles in allem ist es wie bei Janosch und seinem „Polsky blues“ oder „Schäbels Frau“. Wir werden von dieser Dorfidylle extrapoliert in die großen Themen der Welt und wieder zurück. Liebe und Tod. Ankunft und Abschied, Glauben und Aberglauben, Familie, Freundschaft und Trennung. Manchmal verwirren die Zeitsprünge etwas, aber eben nur etwas. Ein großartiges, melancholisches und gleichzeitig lustiges Buch. Kann ich nur empfehlen.
Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann.
DuMont Buchverlag, Juli 2017.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.
Spannend, dass es auch LeserInnen gibt, die das Buch langweilig fanden. Mich hat bisher kein Buch so gefesselt und mir so viel Freude bereitet wie dieses. Besonders gefallen hat mir die Schönheit der Sprache und dass die Menschen in dem unspektakulären Dorf, mit meist ganz unspektakulären, aber dennoch besonderen Lebensverläufen, einander auch wirklich zuhören. Eingelesen wird das Buch von Sandra Hüller, die sehr feinfühlig mitten ins Leben und Erleben der Protagonisten führt… und das ist halt manchmal auch monoton oder verstockt. Grandios gelesen.